Fatwa zu Ehen zwischen Sunniten und Schiiten

Institut für Islamfragen

Darf ein Sunnit eine schiitische Frau heiraten? Darf ein Sunnit mit seiner schiitischen Ehefrau die schiitischen Feierlichkeiten besuchen?

Fatwa von seiner Eminenz Scheich Dr. Naief Bin Ahmad al-Hamad, übersetzt von Daniel Hecker (Institut für Islamfragen, 03.07.2004, dh).

Fragen:

„Darf ich als ein Sunnit eine schiitische Frau heiraten? Darf ich als Sunnit (mit ihr) die schiitischen Feierlichkeiten besuchen?“

Antwort:

„Es gibt unter den Schiiten verschiedene Gruppen. Einige von ihnen glauben, dass der heutige Korantext nicht der Koran sei, der ursprünglich auf Muhammad herabgesandt wurde. Andere glauben, der heutige Koran sei nicht vollständig. Andere glauben, der Erzengel Djibril (Gabriel) habe den Koran versehentlich Muhammad anstelle von Ali [dem Enkel Muhammads] offenbart. Diese Schiiten sind davon überzeugt, alle Gefährten Muhammads sind bis auf sieben oder neun Personen vom Islam abgefallen, ’Aischa (die Lieblingsfrau Muhammads und ‚Mutter der Gläubigen‘) sei eine Ehebrecherin usw. Wer so etwas glaubt, ist ein Ungläubiger (arab. Kafir).

Falls die Frau, die Sie heiraten möchten, diese Dinge für richtig hält, dürfen Sie sie nicht heiraten gemäß Sure 2, 221 [ein Vers, der die Ehe mit den ‚heidnischen‘ Frauen verbietet]. In der Überlieferung von Sahih al-Bukhari (Khalq af’al al-ibad) ist ein Rafidi [eine Bezeichnung, die abwertend oft von sunnitischen Muslimen für Schiiten verwendet wird] gleich einem Juden oder Christen. Deshalb: ‚Ein Muslim darf diese Rafidi, Juden oder Christen weder begrüßen noch besuchen noch einen Heirat mit ihnen eingehen. Außerdem darf ein Muslim das Fleisch eines Tieres, das von diesen Gruppen geschlachtet ist, nicht verzehren.‘

Ein Schiit jedoch, der die o. g. Auffassungen nicht teilt, ist ein Muslim. Falls dies bei der Frau der Fall ist, von der Sie sprechen, dürfen Sie sie heiraten. Die schiitischen Feierlichkeiten dürfen Sie nicht besuchen, denn da werden andere [Personen] außer Allah um Gnade angerufen. Außerdem werden bei diesen Sitzungen die Gefährten Muhammads beschimpft.“

Quelle: www.toislam.net/question/showlist.asp?order=3&num=591

Kommentar des Islaminstituts: Mit diesem Gutachten werden schiitische Muslime offen als “Ungläubige” bezeichnet, solange sie an den spezifisch schiitischen Glaubensinhalten festhalten und der sunnitische Islam zur einzig zulässigen Glaubensform erhoben, obwohl doch Apologeten stets auf die „Einheit aller Muslime“ in der „umma“ (der muslimsichen Gemeinschaft) verweisen. De facto betrachten sich Sunniten und Schiiten häufig gegenseitig als nicht wirklich gläubig, da für Schiiten die Verwandten Muhammads (vor allem seine Tochter Fatima und seine von ihr abstammtenden Enkelsöhne al-Hasan und al-Husain) die wahren Träger der Überlieferung sind, für Sunniten jedoch vorrangig die ersten, von der muslimischen Gemeinschaft nach Muhammads Tod 632 gewählten Kalifen, die Schiiten als „unrechtmäßige“ Herrscher betrachten und daher bei schiitischen Feierlichkeiten häufig verfluchen.

Bitte beachten Sie, dass die (auszugsweise) Übersetzung derartiger Rechtsgutachten der Darstellung und kritischen Auseinandersetzung mit Verlautbarungen von islamischen Meinungsführern und einflussreichen rechtswissenschaftlichen Gremien dienen und keineswegs die Meinung der Internetseitenbetreiber wiedergibt.