Libanon: Ein Modell für das Miteinander der Religionen

Institut für Islamfragen

Baptistischer Weltbund zu Gast in Beirut – Treffen mit Präsident General Emile Lahoud und mit Premierminister Hariri

(Institut für Islamfragen, 29.09.2004, mm) Wie die baptistische Zeitschrift „Die Gemeinde“ gestern in ihrem Newsletter berichtete, hat Dr. Denton Lotz, der Generalsekretär des Baptistischen Weltbundes – eine der größten protestantischen Kirchen weltweit – den Libanon als ein „Modell für das gelingende Miteinander der Religionen“ beschrieben. In einem Gespräch mit General Emile Lahoud, dem Präsidenten des Landes, erinnerte Lotz „an die schmerzlichen Erfahrungen des Landes während des 15-jährigen Bürgerkrieges in den 70er und 80er Jahren. Sie hätten gezeigt, dass es zu einem friedlichen Miteinander der Religionsgemeinschaften keine Alternative gebe“. Dem Bericht zufolge erklärte Lahoud, im Libanon gäbe es „insgesamt 19 verschiedene christliche und muslimische Religionsgemeinschaften“, und „jeder Gläubige könne seinen Glauben ohne Einschränkungen leben“. Lahoud hatte die internationale Delegation einer Tagung des Rates der Europäischen Baptistischen Föderatuion (EBF) empfangen und sich dafür bedankt, daß die Tagung im Libanon stattfände. Er wies darauf hin, daß es im Libanon keine Sicherheitsprobleme gäbe.

Dem Bericht zufolge erklärte Premierminister Hariri, um den Frieden im Nahen Osten zu sichern, müsse der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern gelöst werden. Hariri kritisierte, „dass dem Staat Israel bei seiner Gründung 78 Prozent des palästinensischen Siedlungsgebietes zugefallen seien“ und bezeichnete es als unfair, „dass man sich nun noch um die verbleibenden 22 Prozent streite“. Er forderte einen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten. Dem Newsletter zufolge sagte der Politiker, „echten Frieden könne es nur zwischen wirklich gleichberechtigten Partnern geben, wie dies zwischen Christen und Moslems im Libanon der Fall sei. Dort teilten sich beide Seiten jeweils 50 Prozent der Macht“.

Wie es weiter heißt, übte Hariri Kritik „an der Haltung der öffentlichen Meinung im Westen gegenüber dem Islam seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001“. Vorwürfe, der Islam unterstütze den Terrorismus, seien ebenso falsch wie etwa der Vorwurf, „das Christentum sei verantwortlich für den Zweiten Weltkrieg, weil Adolf Hitler Christ gewesen sei“. Hariri zufolge sei „der Islam eine Religion der Toleranz“, wie sich etwa „an Ehen zwischen Moslems und Christen“ zeige; denn „nach islamischen Recht könne der christliche Ehepartner weiter ungehindert seine Religion ausüben“.

Quelle: Newsletter der Zeitschrift „Die Gemeinde“, 28.09.2004

Kommentar des Islaminstitutes: Rund 60 % der 3,3 Millionen Libanesen – des einzigen arabischen Staates, der nicht offiziell islamisch ist, sind Muslime, 32 % sind Christen, 7 % sind Drusen und der Rest gehören anderen oder keinen Religionen an. Von allen arabischen Staaten genießen die Bürger des Libanons das größte Maß an Religionsfreiheit. Dennoch nimmt der Anteil der Christen an der Bevölkerung vor allem durch Auswanderung ab. Noch 1932 waren fast 54 % der Libanesen Christen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts soll ihr Anteil sogar bei über 70 % gelegen haben. Insbesondere seit den 70er Jahren ging der Anteil der Christen jedoch rapide herunter, und der Anteil der Muslime wuchs in praktisch gleichem Maße.

Zu der Aussage des muslimischen Premiers Hariri, daß „der Islam eine Religion der Toleranz“ sei, wie es sich etwa „an Ehen zwischen Moslems und Christen“ zeige; denn „nach islamischen Recht könne der christliche Ehepartner weiter ungehindert seine Religion ausüben“, ist einiges zu sagen. So ist zum ersten „Toleranz“ selbstverständlich nicht das gleiche wie „Religionsfreiheit“. „Toleranz“ bedeutet nämlich lediglich die von der Mehrheitsgesellschaft gewährte Duldung einer Minderheit, nicht jedoch völlige Religionsfreiheit für alle Glieder einer Gesellschaft. Zudem bedeutet „Toleranz“ häufig die Etablierung voneinander abgeschotteter Gesellschaften. Zum zweiten ist nach islamischem Recht nur die Ehe zwischen einem Muslim und einer Jüdin oder Christin gestattet, nicht aber umgekehrt die Ehe zwischen einer Muslima und einem Nichtmuslimen. Somit besteht hier ein erhebliches Ungleichgewicht und wird deutlich, daß es eben nicht um Religionsfreiheit geht. Außerdem gelten die Kinder einer solchen Ehe nach islamischem Recht als Muslime und dürfen nicht etwa getauft und christlich erzogen werden. Die Mutter verliert also die Freiheit, ihre Kinder ihrem Glauben gemäß zu erziehen an den Mann. Dabei kann man nicht einmal mehr von „Toleranz“ sprechen, zumal diese Kinder gemäß der Sharia auch niemals das Recht haben werden, ihre Religion frei zu wählen, also etwa Christen zu werden.