Pressemeldung zum Verbot der Genitalverstümmelung bei Frauen

Institut für Islamfragen

Ägypten: Die Beschneidung von Frauen wird nach wie vor praktiziert

B O N N (27. Dezember 2004) – Am 28.12. 1998 bestätigte der Oberste Verwaltungs­gerichtshof Ägyptens das Verbot der Beschneidung von Frauen. Doch auch nach dem Urteil wurde die Beschneidung weiter praktiziert – nun jedoch illegal außerhalb der Krankenhäuser, meist unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Als Folge kam es zur erneuten Aufhebung des Verbots – unter dem Vorzeichen des Lebensschutzes.

Das Beispiel Ägypten ist symptomatisch für das gespaltene Verhältnis islamischer Gesellschaften zur Beschneidungspraxis bei Frauen, die jedoch bereits vor Mohammed existierte und schon bei den Alten Ägyptern fest im Brauchtum verankert war. Zwar lehnen viele Muslime die Frauenbeschneidung für sich selbst ab. Doch bis heute streiten sich Gelehrte, ob die Genitalverstümmelung bei Frauen nun unbedingte Pflicht oder nur eine empfehlenswerte Handlung ist. Eng verbunden damit ist die Frage, ob eine Unterlassung eine Sünde darstellt und eine Strafe nach sich zieht. Der Koran nimmt nicht direkt Stellung zur Beschneidung. Aus der Vorbildhaftigkeit des beschnittenen Abraham leiten jedoch einige Gelehrte die Beschneidungspflicht für Muslime beider Geschlechter ab. Eine weitestgehend anerkannte Überlieferung besagt zudem:

„Die Beschneidung ist eine überlieferte Norm für die Männer und etwas Edles für die Frauen.“

Für Mohammed gehörte laut einer Überlieferung die Beschneidung zur „Vervollkommnung“ des Menschen – neben dem Schneiden der Fingernägel, dem Gebrauch des Zahnstochers und dem Stutzen von Bärten. Bei der regulären Form der Beschneidung wird der obere Teil der Klitoris entfernt. Das geschlechtliche Empfindungsvermögen bleibt eingeschränkt, aber grundsätzlich erhalten. Anders sieht es bei der seltener praktizierten radikalen Variante – z. B. im Sudan – aus, die eine vollständige Entfernung der Klitoris sowie der inneren und äußeren Schamlippen vorsieht. Der Zeitpunkt für den Eingriff liegt bei Mädchen meist zwischen dem vierten und zwölften Lebensjahr. Direkt nach der Geburt werden u. W. nur Jungen beschnitten. Die Beschneidung wird in Ägypten und im Sudan, aber auch in einigen anderen afrikanischen Ländern praktiziert.

In unterschiedlicher Gewichtung führen die Gelehrten unter anderem folgende Rechtfertigungsgründe an:

  1. Mäßigung des sexuellen Verlangens der Frau: Für viele muslimische Gelehrte wohl der Hauptzweck. In diesem Fall schütze die Beschneidung die Mädchen und Frauen vor Unzucht und Ehebruch und damit auch die Ehre der Familie in der Gesellschaft.
  2. Sitte und Brauchtum: Demnach habe der Islam eine althergebrachte Gewohnheit im Sinne des Gemeininteresses und „wegen des damit verbundenen Nutzens für die Frau selbst und für die Gesellschaft“ etabliert.
  3. Medizinische und hygienische Vorteile: Nur eine Minderheit der Gelehrten versucht, einen gesundheitlichen Nutzen der Beschneidung zu begründen. Sie weisen auf die Gefahr von Ablagerungen und Rückständen in den Rändern der Klitoris hin, die im schlimmsten Fall zu Krankheiten führen könnten.

Nicht nur Mediziner äußern immer wieder scharfe Kritik an dem Eingriff, der mit Blutfluss und Wundschmerz, häufig auch mit Infektionen und nachfolgenden Problemen bei Menstruation und Geburt verbunden ist, ja nicht selten zum Tod führt, aber auch jahrelange, traumatische Folgen für die Betroffenen hat. Die Islamwissenschaftlerin Birgit Krawietz weist zudem auf die Missachtung des – im islamischen Recht (der Scharia) – festgeschriebenen Konzepts der körperlichen Unversehrtheit hin. Rechte und Interessen der Frau spielten bei den meisten Gelehrten in der Beschneidungsfrage überhaupt keine Rolle.