Abtreibung aus islamischer Sicht
B O N N (1. Juni 2004) Während in Algerien, Ägypten, Iran, Pakistan und der Türkei Abtreibungen ganz verboten sind (mit Ausnahme bei der Gefährdung des Lebens der Mutter), ist ledigen wie verheirateten Frauen in Tunesien die Abtreibung grundsätzlich in den ersten drei Monaten gestattet. Auch in vielen, anderen muslimischen Ländern ist die Abtreibung aus gesundheitlichen Gründen bis zum 90. Tag erlaubt.
Der Koran spricht häufig vom Menschen als Geschöpf Gottes und von seiner Verantwortung gegenüber dem Schöpfer. Nach dem Koran darf der Mensch nicht selbst über seine und die Lebenslänge anderer entscheiden. Mord und Totschlag werden verurteilt, soweit sie nicht der Verteidigung oder der Strafe für ein Kapitalverbrechen dienen. Eine konkrete Stellungnahme zur Abtreibung finden wir im Koran nicht.
Deshalb gehen die Ansichten der Rechtsgelehrten bei der notwendigen Auslegung und Interpretation damals wie heute weit auseinander. In Sure 17,31 wird explizit das Töten von Kindern verboten:
„Und tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung. Ihnen und euch bescheren wir (Gott) doch den Lebensunterhalt. Sie zu töten ist eine große Sünde.“
Für die Anwendung dieses Koranverses auf die Abtreibungspraxis waren aber schon die frühislamischen Rechtsgelehrten vor die entscheidende Frage gestellt, wann das menschliche Leben beginnt. In fast allen Rechtsgutachten stößt man bei dieser Frage auf die antike Vorstellung von der Beseelung des Menschen, die man jedoch voneinander abweichend zwischen dem 40. und 120. Tag nach der Befruchtung der Eizelle ansetzt.
Im Allgemeinen betrachten Muslime die Abtreibung als moralisch verwerflich, jedoch nicht als wirklichen Mord oder Totschlag. Doch einige zeitgenössische Stimmen wenden sich strikt gegen die Abtreibung mit dem Argument, dass dem Islam durch eine Vielzahl an Kindern Stärke verliehen werde. Hier ist aber vor allem an Söhne gedacht. Abtreibung setzten diese Rechtsgelehrten mit Mord gleich. Andere wiederum sehen die Abtreibung als eine legitime Geburtenkontrolle an, die bereits die Prophetengefährten mit der Billigung Mohammeds durchgeführt hätten. Frauenrechtlerinnen fordern im Rahmen der Selbstbestimmung auch das Recht auf freie Abtreibung.
Natürlich kommen auch Abtreibungen in Ländern mit strengen Auflagen oder gar einem generellen Verbot der Abtreibung vor. Da sich hier viele Ärzte aus Sorge vor gerichtlicher Verfolgung weigern, Abtreibungen in Kliniken durchzuführen, kommt es zu illegalen Eingriffen und zahlreichen Todesfällen.
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