Rheinischer Merkur: Erdogan ein Wolf im Schafspelz?

Institut für Islamfragen

Ist der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein „großer Staatsmann“ oder ein „Wolf im Schafspelz“?

(Institut für Islamfragen, 05.10.2004, mm) In einem Artikel der Zeitschrift „Rheinischer Merkur“ vom 30.09. stellt der Autor Dilek Zaptcioglu aus Istanbul unter der Überschrift „Machtkampf zwischen Moschee und Moderne“ die Frage, ob der türkische Ministerpräsident ein „großer Statsmann“ – wie EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen ihn sieht – oder aber ein „Wolf im Schafspelz“ ist.

Der Artikel weist auf die streng islamische Erziehung Erdogans hin, auch durch seinen politischen „Mentor Necmettin Erbakan“. Durch seinen Vater habe Erdogan „eine männliche, hierarchische Welt, in der Frauen sich nur innerhalb der vom Glauben festgeschriebenen Grenzen bewegen dürfen“ kennengelernt. Durch Erbakan, dem „Doyen der islamistischen Bewegung in der Türkei“, habe er „die Macht kennen und schätzen“ gelernt. Sein Traum galt einer „‚islamischen Union‘ und einem ‚islamischen Gesellschaftssystem‘“, aber er habe sich der Erkenntnis zu stellen gehabt, daß „die ‚Ungläubigen‘ es in vieler Hinsicht sehr weit gebracht hatten und die Türkei auch das Potenzial dafür besaß. Warum sollte man nicht ein islamisches EU-Land werden anstatt ein zweiter Iran?“.

Zaptcioglu schreibt, Erdogan wolle der Türkei „materiell den Anschluss an den Westen“ vermitteln, ohne sich dabei aber „kulturell zu verändern“ – und Kultur, so Zaptcioglu, sei für Erdogan Religion.

Erdogan fordere die Verhüllung der Frau und daß man „in Sachen Heirat, Familienführung oder Kindererziehung“ den Koran befolge. Darum seien Erdogan Vorschriften wie „Alkoholverbot, getrennte Räume für Frauen und Männer, Feierabend nach Gebetszeiten, ‚züchtige Kleidung‘ der Frauen in der Öffentlichkeit“ wichtig. Zugleich müssen die streng säkulare Arme weiter entmachtet werden. In den Bereichen Bildung und Soziales solle „der Islam immer stärker in der Gesellschaft etabliert werden“.

Zaptcioglu befürchtet, daß die türkische Zivilgesellschaft nicht stark genug sei, „um dieser Reislamisierung standzuhalten“. Außerdem fürchtet er, daß die „Aufnahme von Beitrittsverhandlungen die Türkei nicht automatisch säkularisieren“ werden.

Quelle: www.merkur.de/aktuell/do04/tuerk_044002.html