Dr. Nadeem Elyas im Interview mit der Berliner „Tageszeitung“ (taz) – Es gäbe in Deutschland nur einen Dialog zwischen Otto Schily und den Innenministerien der Länder „über die Muslime, aber nicht mit ihnen“
(Institut für Islamfragen, 30.07.2004, mm) Wie die Homepage des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Islam.de, heute berichtet, wurde der Vorsitzende des Zentralrates, der etwa 3 % der Muslime in Deutschland vertritt, von der Berliner „Tageszeitung“ (taz) interviewt. Islam.de hat dieses Interview mit den Worten „Die Hemmschwelle vor den muslimischen Gotteshäusern sinkt“ überschrieben und dazu angemerkt, „wir haben nur einen Dialog zwischen Herrn Schily und den Innenministerien der Länder – über die Muslime, aber nicht mit ihnen“.
In dem Interview erklärt Elyas, die kürzlich erfolgte Untersuchung der Frankfurter al-Taqwa-Moschee (wir berichteten) sei „ein Paradebeispiel dafür, wie leichtfertig man mit den Gefühlen der Muslime umgeht“, wenn man nach „einen Hinweis von einem neunjährigen Mädchen“ eine Moschee beschattet und diese dann „stürmt“. Laut Elyas habe es „seit dem 11. September und der Abschaffung des Religionsprivilegs (…) bis zu 70 Razzien in Moscheen und über 1.400 Büro- und Hausdurchsuchungen“ gegeben. Elyas erklärte, daß auch, „wenn ein Verdacht vorliegt, heißt das nicht, dass man mit 200 Mann in eine Moschee stürmen muss“.
Des weiteren wünscht der ZMD sich mehr Solidarität von den anderen Religionsgemeinschaften. Elyas sagt, „wir haben ein gutes Verhältnis zu den Kirchen und den Gewerkschaften. Aber auch diese sind verunsichert und fragen sich: Was ist, wenn an den Vorwürfen doch was dran ist?“ Elyas wird weiter zitiert, „ein Dialog mit den islamischen Organisationen findet praktisch nicht statt. Wir haben nur einen Dialog zwischen Herrn Schily und den Innenministerien der Länder – über die Muslime, aber nicht mit ihnen“.
Quelle: www.islam.de/?site=articles&archive=newsnational&article_number=2172
Kommentar: Aus unserer Sicht ist nicht festzustellen, daß der Dialog zwischen Staat und Gesellschaft einerseits und den Muslimen andererseits nachgelassen habe oder gar nicht mehr stattfände. Problematisch ist allerdings, daß es auf islamischer Seite zwar eine Vielzahl von Verbänden gibt, die als Dialogpartner dienen könnten, diese aber nicht einmal zusammengenommen die Mehrheit der Muslime in Deutschland repräsentieren. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland etwa, der ZMD, repräsentiert etwa 3 % der Muslime hierzulande – trotzdem ist er in der Regel der erste Ansprechpartner im Dialog. Viele islamische Dachverbände stehen mehr oder weniger deutlich in Konkurrenz zueinander und treten nur punktuell miteinander auf, wenn es etwa um die „Kopftuchdebatte“ geht. Ansonsten erwecken die verschiedenen Verbände eher den Eindruck, sich jeweils selbst als die „Hauptvertretung“ der Muslime in Deutschland und als alleiniger Dialogpartner von Staat und Gesellschaft etablieren zu wollen. Dies schadet dem Dialog freilich mehr als daß es ihm nützt. Sollte es Probleme im Dialog geben oder gar ein Scheitern desselben, so wäre es von den islamischen Verbänden kurzsichtig, die Ursachen nur bei den nichtislamischen Dialogpartnern suchen zu wollen. Bei diesen ist nicht selten das Gefühl aufgekommen, sie seien vorgeführt worden, wichtige Fragen seien nicht ausreichend beantwortet worden und einige Verbände hätten versucht, dem Dialog einseitig ihre Regeln aufdrücken zu wollen. Zudem wurden immer wieder wichtige Gesprächspartner nicht berücksichtigt – so erinnert man sich noch daran, daß die „Islamische Charta“ des Zentralrates der Muslime in Deutschland die christlichen Kirchen nicht als Gegenüber auffaßte. Ebenso läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß islamistische Verbände danach streben, den islamischen Part des Dialogs allein zu bestreiten – gegen die tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland, wo die islamistischen Verbände nicht die Mehrheit der Muslime vertreten. Dem Staat, der Gesellschaft, den Kirchen und anderen Institutionen sei allerdings auch ans Herz gelegt, den Dialog nicht nur mit den islamistischen Verbänden zu suchen. Wie Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Feindbild Christentum im Islam“ (Herder spektrum) berichtet, klagte ein Muslim, „man müsse schon Islamist sein, um von den Vertretern der Amtskirchen überhaupt ernst genommen zu werden“. Dies gilt leider auch außerhalb der Kirchen: Wer nicht Islamist ist, muß tatsächlich befürchten, nicht ernst genommen zu werden. Zum Teil liegt dies gewiß auch daran, daß die nicht islamistischen Muslime in gewisser Weise „die Stillen im Lande“ sind. Sie sind allerdings die Mehrheit der Muslime hierzulande und somit der wichtigste Gesprächspartner für den Dialog. Ohne sie kann es keinen Dialog geben. Zu den Durchsuchungen in und um Moscheen in Deutschland sei noch gesagt, daß es schon nachdenklich stimmt, wenn etwa bei einer großangelegten Razzia in Baden-Württemberg bei 600 überprüften Personen zu 138 Personen (23 %) „Staatsschutz-Erkenntnisse“ vorliegen und zu weiteren 113 Personen (19 %) „polizeiliche Informationen aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität“ (Quelle: http://de.news.yahoo.com/040727/12/44vrj.html). Zusammen sind das immerhin 42 % von 600 überprüften Personen. Es stimmt aber auch nachdenklich, wenn – wie in den Medien berichtet – ein belastendes Video in Zusamenhang mit der durchsuchten Frankfurter Moschee während einer Durchsuchung in Köln entdeckt wurde (Quelle: http://de.news.yahoo.com/040716/336/44bly.html). Im Übrigen dauert die Sichtung des in Frankfurt beschlagnahmten Materials nach den uns vorliegenden Informationen immer noch an. Und sollten tatsächlich – wie von einem neunjährigen Mädchen ihrer Lehrerin berichtet und von dieser zur Anzeige gebracht – in einer moscheeigenen Koranschule Kindern gewaltverherrlichende Videos, die zum Jihaad aufrufen und Märtyrer glorifizieren, vorgeführt worden sein, so handelt es sich dabei nicht um eine Bagatelle, und so sollte dieser Vorfall auch nicht leichtfertig heruntergespielt werden. In jedem Fall ist eine gründliche und schnelle Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden auf jeden Fall im Interesse der Kinder an der Koranschule angebracht.