Jungen und Mädchen werden in der islamischen Welt im allgemeinen sehr geschlechtsspezifisch auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft hin erzogen. Während der Junge, der dem Kleinkindalter entwachsen ist (in einigen Ländern fällt dieser Zeitpunkt mit seiner Beschneidung im Alter von etwa 5-10 Jahren zusammen), mehr und mehr in die Außenwelt der Männer hineinwächst, bleibt das Mädchen der Mutter und ihren Aufgaben im häuslichen Bereich verbunden. Schon früh geht sie ihr bei allen Haushaltspflichten als Vorbereitung auf ihre spätere Rolle als Hausfrau und Mutter zur Hand und beaufsichtigt auch häufig jüngere Geschwister. Eine Tochter wird vor allen Dingen zur Wahrung ihres guten Rufes und zum Gehorsam erzogen, zum Dienen und zur Unterordnung unter den Vater, Bruder und andere männliche Autoritätspersonen.
Ein Sohn, auf den die Familie in aller Regel sehr stolz ist, wird nicht selten verwöhnt und zum Herrschen erzogen, denn er wird später das Oberhaupt seiner Familie sein, dem seine Ehefrau nach islamischem Eherecht Respekt und Gehorsam gegen seine Anweisungen schuldig ist. Jungen – später Männer – respektieren zwar die Frauen ihrer Familie und verteidigen ihre Ehre und ihren Ruf, kontrolieren aber auch deren Bewegungsspielraum und Verhalten in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Anstandsregeln. Von den Söhnen wird spätestens mit dem Ende der Schul- oder Studienzeit ein Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie erwartet, während Frauen ganz überwiegend bis zu ihrer Eheschließung im Haus des Vaters bleiben.
Zwar betonen muslimische Apologeten, dass Gott nach Aussage des Korans Mann und Frau gleich erschaffen hat und keine Andeutungen einer minderen Stellung der Frau macht:
„Ihr Menschen! Fürchtet euren Herrn, der euch aus einem einzigen Wesen (d.h. dem ersten Menschen) geschaffen hat, und aus ihm das ihm entsprechende andere Wesen, und der aus ihnen viele Männer und Frauen hat und sich (über die Erde) ausbreiten lassen!“ (4,1) oder
„Er ist es, der euch aus einem einzigen Wesen (d.h. aus dem ersten Menschen, nämlich Adam) geschaffen und aus ihm das ihm entsprechende andere Wesen (als seine Gattin) gemacht hat, damit er bei ihr wohne“ (7,189).
„Und er hat bewirkt, dass ihr (d.h. Mann und Frau) einander in Liebe und Erbarmen zugetan seid“ (30,21).
Nach islamischer Auffassung ist es kein Widerspruch dazu, wenn Männern und Frauen in der Gesellschaft aufgrund ihrer gottgegebenen, unterschiedlichen Aufgaben – für Männer der Broterwerb, für Frauen Kindererziehung und Haushalt – unterschiedliche Rechte zugewiesen werden. Vermehrte Rechte kann der Mann vor allem im Erb-, Zeugen-, Ehe-. Scheidungs- und Kindschaftssorgerecht beanspruchen.