Anschlagserien: Selbstmordattentate als Freikarte fürs Paradies?
B O N N (02. September 2005) – Das Institut für Islamfragen (IfI) in Bonn weist darauf hin, dass die Gewalttaten islamischer Extremisten nur vor dem Hintergrund der Verheißungen des Korans verstanden werden können. Unter den Motiven der Attentäter würden religiöse Gründe die bei weitem wichtigste Rolle spielen, betont Dr. Christine Schirrmacher, die wissenschaftliche Leiterin des Institutes.
Wer im Kampf für Allah stirbt, geht direkt ins Paradies ein. Seine guten und schlechten Taten werden nicht erst gegeneinander abgewogen. Eine möglicherweise qualvolle Höllenstrafe auf Zeit bleibt ihm erspart. Auch die Selbstmordattentäter des 11. September 2001 und der letzten Anschläge in Madrid, Bagdad, London und Izmir glaubten an eine paradiesische Belohnung für ihren Terror und beriefen sich häufig auf entsprechende Koranstellen. Sie meinten auf der Seite Gottes den gerechten Kampf gegen die Ungläubigen zu kämpfen.
„Und denen, die um meinetwillen … Ungemach erlitten haben, und die gekämpft haben und getötet worden sind, werde ich ihre schlechten Taten vergeben, und ich werde sie in Gärten eingehen lassen, in deren Niederungen Bäche fließen als Belohnung von Seiten Gottes. Bei Gott wird man gut belohnt.“ (Sure 3,195)
In einer offiziellen Fatwa verurteilte zuletzt allerdings der Rat der Sunniten in England den Londoner Anschlag als Verstoß gegen den Koran. Ihr Vorsitzender Mufti Muhammad Gul Rehman Qadri erklärte in Birmingham:
„Wer hat irgendjemand das Recht gegeben, andere zu töten? Das ist eine Sünde. Jeder, der Selbstmord begeht, kommt in die Hölle.“
Mohammed – Vorbild auch in der Kriegsführung?
In Sure 5,32 und vermutlich zu Beginn seines Wirkens setzt Mohammed das Töten eines Menschen, der weder ein Mörder noch ein Unheilstifter ist und auch keine schwere Sünde, wie Ehebruch oder Glaubensabfall, begangen hat, noch mit dem Töten der ganzen Menschheit gleich. Selbstmordattentäter finden hier keine Legitimation. In Medina gewann Mohammed schnell an politischem Einfluss und militärischer Stärke. Gleichzeitig wuchs die Ablehnung durch Juden und Christen. Mohammed ging verstärkt militärisch gegen seine Gegner vor – auch gegen die ablehnenden arabischen Stämme von Mekka.
Der erst eher friedlich verstandene Aufruf zum „Djihad“ (wörtlich: Anstrengung auf dem Weg Gottes) wurde nun zunehmend kämpferisch interpretiert. Einen jüdischen Stamm in Medina vertrieb Mohammed, die Männer eines anderen brachte er um, ihre Frauen und Kinder verkaufte er in die Sklaverei. In dieser Zeit postulierte Mohammed zunehmend den Krieg für Gott und gegen die Ungläubigen als heilige Pflicht:
„Die Gläubigen sind diejenigen, die an Gott und seinen Gesandten glauben und hierauf nicht in Zweifel hegen, und die mit ihrem Vermögen und in eigener Person um Gottes Willen Krieg führen. Sie sind es, die es ehrlich meinen.“ (Sure 49,15)
„Prophet! Führe Krieg gegen die Ungläubigen und die Heuchler und sei hart gegen sie! Die Hölle wird sie aufnehmen – ein schlimmes Ende!“ (Sure 66,9)
Das „Haus des Islam“ und das „Haus des Krieges“
Der sunnitische Rechtsgelehrte al-Mawardi entwickelte im 11. Jahrhundert n.Chr. eine bis heute einflussreiche Theorie des „Djihad“. Nach seiner Auffassung führen die Muslime als „Haus des Islam“ beständig einen gerechten Eroberungskrieg gegen die ungläubige Welt als das „Haus des Krieges“. Beide Bereiche können auf Dauer nicht friedlich nebeneinander existieren. Erst wenn die islamische Ordnung in Staat und Gesellschaft überall aufgerichtet ist, hört nach dieser Theorie der Krieg auf und ist ein dauerhafter Frieden möglich. Dieser Theorie hängen extremistische Gruppen an, wenn sie mit den Attentaten den Krieg gegen den Westen proklamieren.
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