Pressemeldung zur Hizbollah anlässlich des Libanon-Konfliktes

Institut für Islamfragen

Hizbollah-Führer Nasrallah bekommt breite Unterstützung aus der arabisch-islamsichen Welt

B O N N (23. August 2006) – Die zunehmende Unterstützung in der libanesischen Bevölkerung für die radikal-islamische Hizbollah hat nicht unwesentlich mit ihrer vielfältigen Verwurzelung in der libanesischen Gesellschaft zu tun, so erklärte Carsten Polanz vom Institut für Islamfragen anlässlich des andauernden Libanon-Konfliktes. Während die Hizbollah-Miliz den bewaffneten Kampf gegen Israel führt und auch einzelne Regionen im Süden des Landes militärisch kontrolliert, sitzen ihre Politprofis seit 1992 im libanesischen Parlament und stellen derzeit zwei Minister in der Regierung. Zugleich profiliert sich die Partei Gottes, wie ihre Bezeichnung übersetzt lautet, als karitativer Verein. Bereits seit ihrer Gründung im Jahre 1982 durch mehrere schiitische Gruppen, errichtet sie Schulen, Waisen- und Krankenhäuser. Besonders in Kriegszeiten bringt ihr das Pluspunkte im Kampf gegen Israel – nicht nur bei ihren Parteigängern und der schiitischen Bevölkerung.

Hizbollah-Führer Nasrallah avanciert zur neuen arabischen Kultfigur

Die Popularität der Hizbollah ist eng mit ihrem Führer Sayyid Hassan Nasrallah verbunden. „Der Spiegel“ sieht in ihm bereits die neue Kultfigur innerhalb der arabisch-islamischen Welt. Erstaunlich ist seine breite Unterstützung durch die arabischen Staaten. Neben dem schiitisch dominierten Iran unterstützt auch Syrien massiv Nasrallahs Kampf gegen Israel. Während Länder wie Australien, Kanada oder die USA die von Nasrallah geführte Hizbollah als Terrororganisation einstufen, wird sie von dem Iran und Syrien als legitime Widerstandsorganisation angesehen und finanziell, militärisch und logistisch unterstützt. Schon der syrische Präsident Hafiz al-Assad und der mittlerweile verstorbene Palästinenserführer Jassir Arafat verdankten ihre Popularität eher ihrer charismatischen Persönlichkeit als ihren Programmen. Die Hizbollah-Propagandisten haben ihren Führer zum Gesicht des Widerstandes gegen die israelische Besatzung im südlichen Libanon und darüber hinaus im ganzen Nahen Osten hochstilisiert. Schon vor dem Krieg hat Nasrallah die Zerstörung Israels und die Vertreibung aller Juden aus der Region als Endziel seiner Raketenangriffe propagiert. Militärisch wurde seine Miliz nach der unerwartet direkten und harten Reaktion Israels auf die Entführung der beiden israelischen Soldaten enorm geschwächt. Dafür versucht Nasrallah, die Hizbollah als Schutzschild aller Libanesen darzustellen. Der Hizbollah-eigene Fernsehsender Al-Manar inszeniert Falschmeldungen über militärische Erfolgsschläge und heldenhafte Martyrien. Immer wieder richtet sich Nasrallah in Interviews an die libanesische Bevölkerung und versichert, dass die massive Zerstörung allein auf israelisches und amerikanisches Konto gingen.

Nasrallah – aus Beiruter Slums über Irak und Iran zum Hizbollah-Chef

Beobachter beschreiben den Hizbollah-Chef als fleißigen, erfahrenen und vor allem charismatischen Politiker, wissbegierig und pragmatisch. Als Religionsgelehrter hat er sich nicht hervorgetan, seine religiös-ideologische Prägung erhielt er als junger Mann im Iran unter Ayatollah Chomeini und seinem Nachfolger Chameni. Die besondere Mischung der Hizbollah als radikal-islamische Kampftruppe und humanitärer Hilfsverein erinnert an die Programmatik der ägyptischen Muslimbruderschaft, deren Programm ebenfalls die Unterstützung mittelloser Bevölkerungsschichten mit dem Aufruf zur vollkommenen Durchsetzung der „islamischen Lebensweise“ – notfalls mit Kampf – verband. Sie gaben die Parole aus, den Armen zu helfen und die Korrupten oder Unislamischen zu bekämpfen. Zudem scheint die Ausrichtung der Hizbollah mit Nasrallahs eigener Biographie zusammenzuhängen. 1960 geboren, wuchs Nasrallah in den Slums von Beirut auf. Seine Eltern konnten ihm gerade so den Besuch einer Privatschule finanzieren. Zu Beginn des Bürgerkrieges verließ er als 15-jähriger den Libanon Richtung Irak und studierte in Nadschaf den Koran. Später kam er nach Qom im Iran, wo er sich ganz dem Kampf gegen die israelische Armee verschrieb und sein Aufstieg bis an die Spitze der Hizbollah begann.