Türkei: Islamfeindliche Papstäußerungen und ihre Wogen

Institut für Islamfragen

Türkischer Leiter des islamischen Religionspräsidiums: Der Papst ist hochmütig

(Institut für Islamfragen, mk, 19.09.2006) Der Vorsitzende des türkischen Religionsministeriums DITIB, Ali Bardakoglu, kritisiert die Papsäußerungen in vielen türkischen Zeitungen als hochmütig. Papst Benedikt hatte am Dienstag, den 12.09.2006 in Regensburg in einem Vortrag aus einem mittelalterlichen Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. mit einem Perser zitiert:

‚Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den der predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“

Bardakoglu kritisierte:

„Die Kirche hat die westliche Welt gegen den Islam aufgebracht, und weil sie ihn als Feind sieht, hat sie die Kreuzzüge geführt. Istanbul wurde besetzt, Tausende umgebracht. Christliche Theologen haben seit dem 4. Jahrhundert die Welt immer zweigeteilt in eine christliche Welt und eine satanische Welt, in die christliche Kraft und die satanische Kraft.“

Bardakoglu fuhr fort:

„Die Kirche sah es als ihre heilige Aufgabe an, die nichtchristliche Welt zu bekriegen. Deshalb sei im Hinterkopf der westlichen Kirche immer die Kreuzzugsmentalität und der Heilige Krieg.“

Bardakoglu vermutete, dass die Aussagen des Papstes ein „Freud’scher Versprecher“ gewesen sei und seine eigentlichen Gedanken zeigten.

Er warf der Kirche vor, dass sie der Grund dafür sei, dass im Westen eine antireligiöse Stimmung herrsche, weil sie den Verstand verloren habe. Bardakoglu gab zu verstehen:

„Wir (als Muslime) sind offen für Kritik. Wenn ein religiöser Lehrer oder Wissenschaftler oder Angehöriger einer Religion Falschaussagen macht, diskutieren wir das. Aber die Heiligkeit einer Religion (Islam), eines Propheten (Mohammed), eines Buches (Koran) herabzusetzen, heißt, hochmütig zu sein. Das ist eine feindselige Äußerung.“

Quelle: www.yenimesaj.com.tr/index.php

Kommentar: Inzwischen hat Bardakoglu seine Äußerungen nach den Entschuldigungen des Papstes wieder abgeschwächt. Doch die Grundfrage bleibt, egal ob der Papst nun sagt, dass er missverstanden wurde. Die Frage ist einerseits, ob die Richtung der Aussagen des Papstzitates mit den historischen Ereignissen übereinstimmt, die andere Frage jedoch, warum es Muslimen so schwer fällt, ihre eigenen Quellen zu akzeptieren.

In Koran und Hadith finden sich zahlreiche Beispiele für Gewaltanwendungen Muhammads, die nicht nur unmittelbare Verteidigung, sondern auch Angriffskriege gegen seine Widersacher sind. Wie Ibn Hisham (gest. 834 n. Chr.), der Redakteur der frühesten Biographie Muhammads von Ibn Ishaq berichtet, war Muhammad innerhalb von zehn Jahren (622–632 n. Chr.) an mehreren Dutzend Kämpfen und Kriegshandlungen beteiligt. Es ging um das wirtschaftliche Überleben seiner islamischen Gemeinde, die Durchsetzung von machtpolitischen Interessen und daher auch um die Ausschaltung seiner Gegner. Die Quellen berichten daher von der Hinrichtung einzelner Personen, von Raubüberfällen, Verteidigungskriegen sowie Expansionsfeldzügen. Drei der größten Kriege richteten sich gegen drei jüdische, in Medina ansässige Stämme (624-627 n. Chr.). Immer stärker lehnte Muhammad zum Ende seines Lebens den jüdischen und christlichen Glauben als Irrglauben ab. Alle „Ungläubigen“ betrachtet er als seine Feinde, als die des Islam (z. B. Sure 4,101) und Allahs (z. B. Sure 8,60 und 60,1). Kampf und Krieg waren in der altarabischen Stammesgesellschaft zu Muhammads Zeiten sicher anerkannte Mittel der Machtausübung; sie ließen aufgrund der unbedingten Vorbildhaftigkeit Muhammads, die schon im Koran festgeschrieben ist (Sure 33,21), dem Islam ein schweres Erbe zurück (vgl. Sure 9,111; 66,9; 5,33).

Eine kritische Auseinandersetzung mit der islamischen Geschichte wäre daher dringend geboten, denn die islamische Welt hat ein Recht auf einen an den Fakten orientierten Blick auf die eigene Vergangenheit. Ein Vermeiden dieser Thematik wird einem friedlichen Zusammenleben jedoch in keiner Weise förderlich sein.