Katholischer Priester will Grundstücke der Kirche zurückerhalten
(Institut für Islamfragen, mk, 28.04.2006) Die stark islamisch geprägte türkische Tageszeitung „Vakit“ berichtet von dem polnischen Priester Roberto Niewinski, der bei Adana im Seyhaner Stadtteil Tepebag die an die dortige katholische „Heilige Pauluskirche“ angrenzende Grundstücke zurückverlangt habe. Die Kirche sei im Stadtteil als „Bebekli Kilise“ (Kirche mit dem Baby) bekannt. Der Priester habe einen Wiedereröffnungsgottesdienst für die Kirche abgehalten und die örtliche Stadtverwaltung unter Druck gesetzt, die betreffenden Grundstücke an die Kirche zurückzugeben. Als dem nicht nachgegeben wurde, habe er das Schild „Geschlossen“ an der Kirche angebracht und die Stadt verlassen.
Der Priester versuchte dann, den Papst und die EU in der Sache um Hilfe anzurufen. Auf den Grundstücken bei der Kirche befinden sich dem Bericht zufolge von der Stadt genehmigte Bauten. Die Kirchengrundstücke seien von der Verstaatlichung betroffen und der Kirche seien nur noch 590 qm2 zugewiesen worden. Das aber habe dem Priester nicht gereicht, sondern er beanspruchte Grundstücke, die örtlichen Handwerkern im ohne Baugenehmigung errichteten Paris-Einkaufszentrum gehörten und bis zur Kemeralti Moschee reichten.
Der Ortsvorsteher des Stadtteils Tepebag, Ferhat Arkun, berichtet vom Verkauf der Grundstücke im Jahr 1968 durch den Priester Abdullah Alponz an einen Anwalt mit Namen Irfan Ekmekci. Damals habe die Kirche 2.900 qm2 verkauft. Jetzt wolle oben genannter Priester wieder die Grundstücke für die Kirche zurückhaben und dazu noch kostenlos. Die Seyhan-Stadtverwaltung habe sich diesbezüglich redlich bemüht. Aber als das nicht möglich war, habe der Priester am 3. Oktober 2005 das Schild aufgehängt und die Stadt verlassen.
Arkun fuhr fort:
„Hunderte von Handwerkern und Verkäufern werden das auch nicht akzeptieren. Es kommt auch niemand in die Kirche. Die Kirche hat keine Gläubigen. Alle paar Monate gibt es eine Beerdigung dort.“
Das Ziel sei offensichtlich, so Arkun, der Türkei Knüppel zwischen die Beine zu werfen in Bezug auf ihren EU-Beitritt. Demnach sei der Priester Niewinski ein Provokateur. Er habe die Schließung eines Musikcafés, einer Teestube und eines Festsaals verlangt, die in unmittelbarer Nähe der Kirche liegen, die ungesetzlicher Weise gebaut wurden und die Gottesdienste stören würden. Über den Vatikan wurde Außenminister Abdullah Gül gebeten, sich des Falles anzunehmen. Die Tageszeitung „Vakit“ überschrieb ihren Artikel mit: „Das hinterhältige Spiel des Priesters.“
Quelle: www.vakit.com.tr/index.php
Kommentar: Der Streit um Kircheneigentum in der Türkei hat eine lange Geschichte. Kirchenbesitz wurde vielfach enteignet und auf dubiose Weise von besitzgierigen Anwohnern an sich gerissen. Wie das wieder gut zu machen ist, ist die große Frage. Besonders beunruhigend ist es, wenn heute manche Muslime immer noch der Kirche jegliche Existenz verbieten wollen. Es gibt Gesetze in der Türkei, die für den Beibehalt des Kirchenbesitzes eine vor Ort lebende christliche Familie verlangen. Ist das nicht gegeben, kann der Besitz in die Hände einer muslimisch verwalteten Stiftung fallen, die das Grundstück beliebig verwenden kann. Das geschah in vielen Städten des Landes. Gerechter Weise muss aber auch gesagt werden, dass manche Stadtverwaltung, z. B. die von Kayseri oder Bursa, die zuständige Kirche bat, bisher anders verwendete Kirchengebäude wieder seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen.