Türkei will Religionszugehörigkeit aus Personalausweisen streichen lassen

Institut für Islamfragen

Mehr Religionsfreiheit in der Türkei im Zuge des EU-Beitritts

(Institut für Islamfragen, mk, 09.03.2006) Ein Gesetzentwurf des türkischen Parlaments sieht die Aufhebung des Eintrags der Religionszugehörigkeit in türkischen Pässen vor. Insbesondere sollen Erziehungsberechtigte demnächst bestimmen können, ob die Religionszugehörigkeit ihrer Kinder in Personalausweisen eingetragen wird oder nicht. Personen über 18 Jahre können demnach ohne Gerichtsurteil nur mit einem Antrag diesen Eintrag in ihrem Personalausweis ändern oder aufheben lassen. Nur Eintragungen von Religionen, die bisher nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt sind, erfordern weiterhin eine gerichtliche Verfügung. Bisher konnten Volljährige nur dann ihre Religionszugehörigkeit ändern, wenn sie das gerichtlich erzwangen. Der Entwurf findet große Unterstützung bei der regierenden AK-Partei und CHP-Opposition. Einzelne AK-Partei-Vertreter bewerteten die Änderung wie folgt:

Tayyar Altikulac gab zu verstehen, dass der Entwurf allen internationalen Gesetzen entspreche, aber der Theorie Vorschub leiste, dass dadurch mit christlichen Missionaren ein „Komplott“ geschmiedet werde, um den Religionsübertritt zum Christentum zu erleichtern. Eyüp Sanay gab zu bedenken, dass man mit einem Eintrag im Personalausweis nicht die Religion an sich ändere, aber dass man in der Praxis Probleme habe könnte, so z. B. bei einem gestorbenen Obdachlosen, bei dem man erst feststellen müsse, ob er beschnitten sei oder nicht und ihn erst dann muslimisch beerdigen könne. Kritische Stimmen warnten davor, mit den geistigen Werten der Nation zu spielen, denn bei diesem Thema sei der Endpunkt der Begegnung der Kulturen erreicht.

Andere türkische Zeitungen wie die islamisch ausgerichtete „Tercüman“ kritisieren den Vorgang als falsch und warnen davor, dass Missionare junge Muslime durch einen übereilten Antrag dazu bringen könnten, Christen zu werden. Der frühere Vorsitzende der türkischen Religionsbehörde „Diyanet“, Dr. Tayyar Altikulac, beschwichtigte: „Eine Person, die durch eine momentane unüberlegte Entscheidung ihre Religion verändert, kann sie bei klaren Kopf jederzeit wieder rückgängig machen.“

Die stark islamisch ausgerichtete Tageszeitung „Yeni Mesaj“ peitscht die Gemüter auf mit der Überschrift: „AKP schafft Religion ab“. Sie warnt davor, dass dadurch der Boden für die Europabestrebungen vorbereitet werde: „Türkei weg vom Islam, hin zu Christentum“.

Quelle:

  • www.milliyet.com.tr/2006/02/26/guncel/axgun02.html
  • www.tercuman.com.tr/v1/haber.asp
  • www.yenimesaj.com.tr/index.php

Kommentar: Regierungspartei und Opposition scheinen wirkliche Reformen zu wollen. Für die religiöse Regierung unter Erdogan würden sich dadurch sicher mehr Freiheiten ergeben, um die Islamisierung auf andere, demokratischere Weise voranzutreiben. Für Christen würde die bisherige Benachteiligung aufgehoben, denn tausende von Konvertiten wagen es bisher nicht, ihre Personalausweise von „Muslim“ auf „Christ“ ändern zu lassen, weil sie viel Ärger bei Behörden und Nachteile befürchten.