Zeitehe

Institut für Islamfragen

Die Zeitehe wird bis heute von einigen – nicht von allen – schiitischen Gruppierungen in Indien, Iran, Irak und Pakistan praktiziert. Von der muslimischen Mehrheit der Sunniten wird sie heute fast durchgängig als eine Form der Prostitution abgelehnt. Man argumentiert dagegen von schiitischer Seite, die Zeitehe sei keine Prostitution, denn bei der Prostitution werde die Frau gedemütigt, degradiert und ausgebeutet, während die Frau bei der Zeitehe ‚freiwillig‘, unter bestimmten, festgelegten Bedingungen für eine gewisse Zeit einen Vertrag mit einem Mann eingehe, den sie sich frei ausgesucht habe. Es ist allerdings zu fragen, was unter der ‚Freiwilligkeit‘ der Zeitehe zu verstehen ist, wenn sie – was wohl recht häufig vorkommen soll – der Sicherung des Lebensunterhaltes der Frau nach einer Scheidung oder dem Tod ihres Ehemannes dient.

Allerdings ist die Zeitehe auch im schiitischen Bereich nicht ganz unumstritten, obwohl schiitische Gelehrte im Allgemeinen vermeiden, sich offen und unverhohlen gegen die Zeitehe auszusprechen. Von den schiitischen Befürwortern der Zeitehe wird häufig angeführt, die Zeitehe verhindere Unzucht und trage mit dazu bei, sexuelle Verirrungen wie Homosexualität, Geschlechtskrankheiten und die Prostitution zu vermeiden.

Leider ist aufgrund der spärlichen Quellenangabe die Entstehung der Zeitehe und ihre geschichtliche Entwicklung in der muslimischen Gemeinschaft nur schwer nachzuzeichnen. Es hat aber den Anschein, dass schon in vorislamischer Zeit die zeitlich begrenzte Ehe praktiziert wurde. Der Koran spricht an keiner Stelle explizit von der Zeitehe, spielt aber möglicherweise im zweiten Teil von Sure 4,24 auf diese Eheform an.

Darüber, ob diese Eheform von Muhammad zur Zeit der Entstehung des Islam erlaubt wurde oder nicht, ist aufgrund der islamischen Überlieferung kein eindeutiges Urteil zu fällen. Ebenso ist die Stellung der Rechtsgelehrten zur Zeitehe niemals einheitlich gewesen. Es gibt Rechtsgutachten aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr., die die Zeitehe gestatten. Diese Haltung scheint sich ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. gewandelt zu haben. Ihren Endpunkt fand diese Entwicklung jedoch wohl erst im 11. Jahrhundert n. Chr., als die Sunniten die Zeitehe als eine Art legalisierte Prostitution verurteilten, während die Schiiten bis heute an ihr festhalten und sie als rechtmäßige, islamische Eheform verteidigen. Einige Schiiten gingen sogar so weit, zu sagen: „Der Gläubige ist nur dann vollkommen, wenn er die mut’a-Ehe gelebt hat“. Diese Aussage ist allerdings für die allgemeine schiitische Meinung nicht repräsentativ.

Zu einer Zeitehe gehört die Festlegung des Zeitraumes, für den die Ehe geschlossen wird, sowie die Festlegung der Entlohnung der Frau. Der Zeitraum der Ehe kann von wenigen Stunden über einen Tag bis zu 99 Jahren variieren und nach Ablauf der Frist nicht verlängert werden. Wahrscheinlich wird die Zeitehe von Frauen als zweite oder spätere Ehe nach dem Tod ihres ersten Mannes oder nach einer Scheidung eingegangen. Eine Zeitehe soll nicht mit einer Jungfrau geschlossen werden. Das vorrangige Ziel einer Zeitehe ist nicht die Gründung eines Hausstandes oder einer Familie, sondern offensichtlich die Versorgung der Frau.

Die Zeitehe basiert auf der gegenseitigen Übereinkunft von Mann und Frau und wird nicht von Verwandten arrangiert. Sie muss nicht vor einem Richter (arab. Qadi) geschlossen werden und kann auch schon vor Vertragsabschluss begonnen haben. Ferner bedarf die Eheschließung nicht der sonst üblichen zwei Zeugen. Die Frau muss unverheiratet, fromm und keusch sein und die Zeitehe kennen (also eine Schiitin sein), während der Mann die Zeitehe neben seiner Ehe (oder seinen Ehen) führen kann.

Die Frau hat in einer Zeitehe nur sehr wenige Rechte: Sie hat in der Regel keinen Anspruch auf Nahrung, Kleidung und ein Zuhause, wie es sonst in einer Ehe der Fall ist, sondern lediglich auf die vereinbarte Entlohnung. Wenn die vereinbarte Dauer der Ehe abgelaufen ist und die Frau ist schwanger geworden, kann sie auf keinerlei Unterhaltszahlungen ihres Mannes hoffen.
Wenn die Zeitehe vollzogen wurde, erhält die Frau bei Beendigung der Ehe ihre Morgengabe, also ihre Entlohnung. Sie kann gekürzt werden, wenn die Frau ihren Mann vor Beendigung der Ehe verlässt. Auch der Mann kann seine Frau vorzeitig verlassen (bzw. sie verstoßen) und zahlt dann die Hälfte der Morgengabe. Eine offizielle Scheidung ist bei dieser Eheform nicht möglich. Die Partner können sich auch nicht gegenseitig beerben.