Ehrenmorde und Gehorsamsprinzip

Institut für Islamfragen

Rechtsorientierte türkische Tageszeitung unterstreicht Notwendigkeit zum Gehorsam gegen die Eltern

(Institut für Islamfragen, mk, 23.06.2007) Die rechtsorientierte türkische Tageszeitung „Ortadogu Gazetesi“ kommentiert die innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft und auch in der Türkei häufig thematisierte Auffassung von sog. „kleinen“ und „großen“ Sünden. Nach Meinung der genannten Zeitung werde Allah die kleinen Sünden vergeben, wenn ein Muslim die großen Sünden meide (Sure 4,31). Die Tageszeitung beruft sich auf einen Hadith (einen der überlieferten Aussprüche Muhammads), der als eine der großen neun Sünden benennt, dass jemand seinen muslimischen Eltern gegenüber rebellisch ist und nicht tut, was die Familie anordnet, jedoch tut, was sie verbietet und damit die „Wahrheit“ verlässt.

Quelle: www.ortadogugazetesi.net/habergoster.asp?id=5092

Kommentar: Was allerdings die „großen“ Sünden im Einzelnen sind, geht aus den islamischen Quellen nicht immer eindeutig hervor. Als große Sünden werden z. B. in den Hadithsammlungen unter anderem aufgeführt: Allah einen anderen Gott beigesellen, Mord, Zauberei, Ehebruch, falsches Zeugnis, der lügnerische Vorwurf eines nicht geschehenen Ehebruchs, Fahnenflucht, Zinsnahme, die Ausbeutung Armer, Diebstahl, Alkoholkonsum und der Ungehorsam gegen die Eltern. Letzter Punkt ist nicht selten Thema im türkischen Islam und den dortigen Predigten. Ungehorsam gegen die Eltern wird immer wieder als Kardinalsünde bezeichnet, die nicht ohne weiteres vergeben wird. Pflichtvergessenheit und mangelnde Fürsorge der Kinder ihren Eltern gegenüber ist ebenfalls gravierendes Unrecht. So soll innerhalb der Familie ein Sohn bis ins hohe Alter seine Eltern achten, indem er ihnen nicht ins Wort fällt, ihre Anordnungen achtet und sie nicht bevormundet. Ja, der Gehorsam und das Prinzip der Kollektiventscheidungen gehen sogar soweit, dass in manchen Bereichen der türkischen Gesellschaft alle Lebensentscheidungen von der Familie bestimmt werden, nicht von dem/der Betroffenen, so z. B. die Partnerwahl, die Berufswahl, ein Ortswechsel, die Verwendung des Verdienstes u.a.m. Auch der Beschluss einer Familie, einen „Abweichler“ zu töten, der z. B. den Islam verließ oder durch Ehebruch oder anderweitigen „Ehrverlust“ die Familienehre beschmutzt hat, hat in Zusammenhang mit diesem Gehorsamsprinzip gewaltige Autorität.