Türkische Tageszeitung enthüllt Hetze gegen Minderheiten
(Institut für Islamfragen, mk, 26.04.2007) Die türkische Tageszeitung „Radikal“ fasst die Hetze gegen christliche Minderheiten in der Türkei der letzten Jahre zusammen und erklärt, wie es am 18.4.2007 zu den bestialischen Morden an drei Christen in der Stadt Malatya kommen konnte. Die beiden Türken Necati Aydin (36), Ugur Yüksel (32) und der Deutsche Tilmann Geske (46) wurden im Büro des kleinen christlichen Literatur-Verteilzentrums des Verlags „Zirve Yayincilik“ gefoltert und ermordet. Die Polizei konnte fünf der mutmaßlichen Täter am Tatort mit den Tatwaffen festnehmen. Die Beschuldigten machten aus ihren Motiven kein Hehl. Wie in den Verhören deutlich wurde, haben sie diese verabscheuungswürdige Tat aus religiös-islamischen und rechtsradikalen Gründen begangen, um ihre Religion und Land gegen „Angriffe“ der Christen zu schützen.
Die Zeitung „Radikal“ spricht jedoch auch über Hintergründe. Sie erwähnt, wie früher nur radikale Muslime die Missionare als Zielscheibe betrachteten. Später, so meint „Radikal“, begannen selbst angesehene türkische Persönlichkeiten „Lügenmärchen“ über christliche Missionsarbeit in der Türkei zu verbreiten. Im Jahr 2001 habe dann der Staatssicherheitsrat eine wissenschaftliche Studie herausgebracht, wonach die Zahl der von Missionaren für das Christentum gewonnenen Personen nicht über 10.000 liegen soll. Niemand konnte danach diese Zahl im Nachhinein in Frage stellen. 2006 sprach das türkische Innenministerium von nur 338 Muslimen, die Christen wurden. Doch erheben sich radikale Stimmen aus unterschiedlicher Richtung, dass die Zahl der Konvertiten so hoch sei, dass sie das „Land teile“.
„Radikal“ erwähnt auch, dass verschiedene Politiker und Parteien mehrfach öffentlich gegen Missionare in der Türkei Stellung bezogen hätten. Im Jahr 2000 habe der damalige Innenminister Sadettin Tantan gewarnt:
„Unser Volk wird durch die Falle der Armut in die Hände der Missionare geführt.“
Das türkische Religionspräsidium DIB und das Kulturministerium hätten 2001 geplant, in ihren Veröffentlichungen Missionare zum Thema zu machen, führt „Radikal“ an. Der verstorbene Ministerpräsident Bülent Ecevit (DSP-Partei: Mitte-Links) hatte zusammen mit seiner Frau Rahsan ebenfalls Propaganda gegen Missionare begonnen:
„Mit der Aufnahme in die EU verlieren wir unsere Religion … Um die Türkei zu spalten, ist ein Weg der, die Religion ihres Volkes zu ändern“.
Ministerpräsident Erdogan hatte damals Ecevit zu bersänftigen versucht. Denn auch wenn in der Türkei neue Kirchen entständen, würden im Gegenzug in Deutschland überall Moscheen gebaut. Er bräuchte sich vor Religionsfreiheit nicht zu fürchten, so wird Erdogan zitiert.
Der Bürgermeister der CHP-Partei Muzaffer Eryilmaz behauptete gar, dass die Situation unglaublich schlimm sei. Denn jeder, der sich zu einer Kirche halte, erhalte 250 Dollar monatliche Zuwendung. Der frühere MHP-Parteisekretär (rechtsgerichtet) Mehmet Sandir gab zu verstehen, man werde missionarischen Aktivitäten auf dem Boden der Legalität keine Erlaubnis erteilen.
2005 behaupteten Sicherheitskräfte, Missionare hätten Istanbul als Hauptquartier ausgewählt, um dadurch die anatolische Hochebene zu erreichen. Weiter hieß es, sie hätten 230 unerlaubte Kirchen gegründet und würden besonders arbeitslose Jugendliche als Ziele anvisieren. 2006 behauptete Recai Kutan, der Generalsekretär der Saadet Partisi (Partei Erbakans mit islamistischer Ausrichtung), dass ein Kind einer Familie, das die Grundschule noch nicht abgeschlossen habe, keinen Islamkurs besuchen dürfe. Aber überall würde es von Missionaren nur so wimmeln. In jedem Stadtteil würden Kirchen eröffnet und dagegen würde nichts unternommen, kritisierte Kutan weiter.
Der Parteiführer der BBP, Muhsin Yazicioglu, sagte nach dem Mord an dem italienischen Priester Andrea Santoro in der Stadt Trabozon Ende des Jahres 2006 gar:
„Wenn man die Missionare unter die Lupe nimmt, stellt sich heraus, sie arbeiten für den CIA.“
Der verantwortliche Minister für das Türkische Religionspräsidium DIB, Mehmet Aydin sagte, dass christliche Missionsarbeit die Werte der Gesellschaft gefährdeten:
„Es geht dabei nicht um eine unschuldige religiöse Unterweisung oder um religiöse Freiheit, im Gegenteil, es ist offensichtlich, dass es einen geheimen Plan und politische Ziele gibt, die genau vorbereitet sind.“
„Radikal“ berichtet weiter, wie zu den Feierlichkeiten zum 90-jährigen Gedenken an den Sieg bei Canakkale in allen türkischen Moscheen die zentral angewiesene Predigt die christliche Missionsarbeit zum Ziel hatte und davor warnte. Die Predigt verärgerte im Ton sowohl die EU als auch die USA. Das Religionspräsidium ließ verlauten, dass sie gegen die Missionsarbeit Informationsteams und eine Informationsdatenbank aufbaue. 2006 gab der Innenminister Abdülkadir Aksu zu verstehen, dass Missionare geheimdienstlich beobachtet werden. Nach Aksu würden Missionare aus der Armut in Familien und von Katastrophen Nutzen ziehen. Nach Aksu seien immerhin in den letzten sieben Jahren 338 Muslime Christen und 6 Muslime Juden geworden. Vor wenigen Tagen machte Niyazi Güney auf einer Justizkommissionsbesprechung die Aussage, dass die christlich-missionarischen Aktivitäten Ausmaße angenommen hätten, die gefährlicher seien als die einer Terrororganisation. Es seien Zustände wie damals zum Ende des osmanischen Reiches, als sich diese Aktivitäten völlig unkontrolliert ausgebreitet hätten. Dafür gebe es geheimdienstliche Beweise, so Güney.
Quelle: www.radikal.com.tr/haber.php?haberno=218964
Kommentar: Noch sind nicht alle Toten begraben, da spekulieren manche Tageszeitungen darüber, wieso die Täter eigentlich Opfer seien und die Opfer die Täter. Man hörte in der Türkei sogar, dass die verstorbenen türkischen Christen „gekauft“ worden seien und jetzt in den Medien versucht würde, die Missionare als unschuldige Lämmer darzustellen, um der christlichen Missionierung einen weitern Schub zu geben. Der Geheimdienstverantwortliche für Malatya Mahir Kaynak sagt sogar, dass versucht werde, die Sache als religiösen Angriff darzustellen, wobei es bei den Missionaren eigentlich um politische Ziele gehe. So habe der amerikanische Präsident Bush vor, die Türkei mit seinen Kreuzzugplänen zu christianisieren. (Allerdings waren die Opfer Türken und Deutsche, nicht Amerikaner.) Leider werden hier Verschwörungsszenarien benutzt, anstatt die eigentlichen Probleme der fehlenden Religionsfreiheit und Toleranz aufzuarbeiten. In radikalen Kreisen werden die Morde an den Christen als Sieg gefeiert, weil der Versuch und die Provokation scheiterte, die Tausendjährige anatolische Einheit und ihre Bindung an die islamische Tradition zu brechen.
Aber es gibt auch andere Stimmen, wie die vom Leiter der privat-islamistischen Ihlas-Wohnheime, in denen die Täter Unterkunft fanden. Er sagte, dass Missionsarbeit in der Türkei völlig rechtens sei (denn das türkische Grundgesetz gebe Glaubensfreiheit), und Christen wie Muslime ihren Glauben verbreiten dürften. Eine ungenannte Frau aus Malatya schreibt im ersten Schock über die Tat: „Wir alle in Malatya sind dadurch beschmutzt worden“.
Der Leiter der evangelischen Allianz der Türkei Ihsan Özbek gab einen Tag nach der Tat zu verstehen: „Wir wissen, dass das nicht der letzte Märtyrer war. Aber wir wünschen es uns von ganzem Herzen. Durch die gestrige tödliche Attacke starb der erste bekannte Märtyrer seit der Gründung der Türkischen Republik 1923, ein türkischer Konvertit aus dem Islam“. Und es bedeutet einen Rückfall ins längst vergangen geglaubte Zeiten.