Metin Gülbay macht seinem Herzen über die undemokratischen Strukturen der Armee in riskanter Stellungnahme Luft
(Institut für Islamfragen, mk, 05.09.2007) Nachdem Erdogans AKP im Juli bei Neuwahlen fast 47 Prozent der Stimmen erhielt und am 29.08.2007 Abdullah Gül vom Parlament zum Präsidenten der Türkei gewählt wurde, hat das türkische Militär sich ablehnend zu diesen Ereignissen geäußert. Zuvor war das Militär gegen die Wahl Güls zum Präsidenten eingeschritten, worauf die Regierungspartei AKP Neuwahlen erzwang, die ihr die nötige Mehrheit im Parlament verschafften, um ihren Kandidaten durchzusetzen.
In der kleinen türkischen Zeitung „Ortakhaber“ vertritt einer der Autoren, Metin Gülbay, dass die türkische Armeeführung sich über alle demokratischen Ordnungen erhaben sehe. So habe die Armeeführung auf ihrer Internetseite Formulierungen entfernt, die bisher deutlich gemacht hatten, dass die Armee sich in Abhängigkeit vom Präsidenten betrachtet. Damit stellt sich jedoch die Armee über den türkischen Präsidenten. Gülbay fragt, wer denn die Heeresleitung wähle und beantwortet seine Frage dann selbst mit den Worten, dass die Heeresleitung intern selbst von den Armeeoffizieren gewählt wird. Er fragt weiter, wie sich eine Armee, die sich selbst wählt, über eine Person stellen kann, die doch vom Volk gewählt wurde. Gülbay berichtet von seinen Erfahrungen in der Armee, wo er misshandelt, geschlagen und als Volksverräter beschimpft wurde, weil er nur die unbedingt erforderlichen acht Monate Wehrdienst leistete und zudem bekannt gab, dass er später als Englischlehrer arbeiten wolle. Bis heute seien die Narben der Schläge von vor 22 Jahren an seinem Körper sichtbar, berichtet er weiter. Er bezeichnet den, der die ihm unterstellten Soldaten schlage, als niederträchtigen Menschen und fragt sich, ob es heute immer noch solche in der Armee gebe. Er jedenfalls habe vor der Armee keinerlei Respekt mehr. Diese Armee, so Gülbay, sei nicht seine Armee; sie realisiere einfach nicht, dass sich die Welt verändert habe.
Quelle: www.ortakhaber.com/v2/haberler/templates/haber.asp?articleid=2249&zoneid=9&y=
Kommentar: Eine solche, selten zu lesende Stellungnahme gegen die Armee in der Türkei bedeutet für den Autor ein großes persönliches Risiko. Sie zeigt aber die Unzufriedenheit mit der Vorgehensweise einer Armee, die sich über jede Kritik und Kontrolle erhaben sieht. Genauso wie die Armee auf die zunehmende Islamisierung der Türkei reagiert, betrachtete sie in den letzten Jahren die wenigen Christen in der Türkei als Störenfriede. Gegen eine solche Demokratie und menschenverachtende Einstellung macht sich zunehmend Unmut in der türkischen Bevölkerung breit.