Moschee soll interreligiöses Gebetshaus für Christen, Juden und Muslime sein
(Institut für Islamfragen, mk, 19.10.2008) In der für gläubige Muslime wichtigsten Nacht des Jahres, der „Nacht der Macht“ [Türkisch: Kadir Gecesi], in der laut islamischer Überlieferung Muhammad die ersten Verse des Korans offenbart worden sein sollen, wurde im Stadtteil Bilkent auf dem Bilkent Universitätscampus in Ankara die erste interreligiöse Moschee der Türkei eröffnet. Dort können sich ab sofort Christen, Juden und Muslime jeweils in einem bestimmten Teil des Gebäudes zu ihren Gottesdiensten versammeln. Zur Eröffnungsfeier am Freitag, den 26. September 2008 kamen zahlreiche türkische Minister und Staatsbeamte, die ihr rituelles Gebet auf Arabisch in dieser Moschee verrichteten.
Der Erbauer, Prof. Ihsan Dogramaci, eröffnete die Moschee im Namen seines Vaters, Ali Pasa Dogramaci, der ihm dieses Projekt noch vor seinem Tod ans Herz gelegt hatte. Die erste Freitagspredigt wurde vom Leiter des türkischen Religionspräsidiums, Ali Bardakoglu, gehalten. Die bisher ausschließlich auf arabisch vorgetragenen Koranzitate und Korangebete sollen in Zukunft auch simultan ins Türkische übersetzt werden. Die Moschee ist in modernem Baustil auf einem Grundstück von 12.000 qm2 errichtet, wovon die Moschee 4.500 qm2 einnimmt. Sie fasst bis zu 1.000 Menschen. In den Seminarräumen wurden für Christen und Juden 120 qm2 als spezielle Gebetsstätten reserviert; sie sollen keine speziellen Motive oder Einrichtungsgegenstände haben. Bisher sind auch keine fest angestellten Geistlichen der beiden anderen Religionen vorgesehen. Dogramaci gab zu verstehen, dass es sich um eine Moschee handele und nicht um eine Kirche oder Synagoge. Christen und Juden seien jedoch willkommen, in ihren Gebetsbereichen ihre Gottesdienste zu feiern.
In der Moschee sollen auch Vernissagen, Konzerte und Diskussionen stattfinden, gemäß des Vorbilds der Moscheen zur Zeit der Osmanen. Die Moschee besitzt eine computergesteuerte Beleuchtung, eine Klimaanlage, Schließfächer für die Schuhe, die vor dem Gebet ausgezogen werden, einen Aufzug und ein Transportband für Ältere und Behinderte.
Dogramaci rief außerdem zwei neue Stiftungen ins Leben. Im August 2008 gründete er die Ihsan Dogramaci Friedensstiftung und im September in der boomenden Stadt Arbil im Nordirak die Ihsan Dogramaci Arbil Stiftung, die sich auf Bildung, Kultur und Gesundheitsfragen konzentriert. Laut der Tageszeitung „Zaman“ war aus Berlin an Dogramaci eine Einladung ergangen, in Berlin eine Niederlassung der Bilkent Universität aufzubauen, was er jedoch dankend ablehnte. Seine Begründung lautete, dass er mit der Bilkent Universität in Ankara bereits genügend Neider in der Türkei habe und mit einer Gründung in Berlin nicht die Zahl der Mißgünstigen weiter erhöhen wolle.
Quelle:
- www.cnnturk.com/HaberDetay/Turkiye/2/Hiristiyan_ve_Musevilerin_ibadet_edebilecegi_cami/495017/0
- www.aksam.com.tr/haber.asp?a=8291,3 www.tumgazeteler.com/?a=4073401
- www.dunyabulteni.net/news_detail.php?id=53697
- www.zaman.com.tr/haber.do?haberno=589860
Kommentar: Professor Ihsan Dogramaci wurde 1915 in Arbil/Irak geboren. Sein Vater Ali Pasa war Senator in Bagdad. Ihsan Dogramaci ist Kinderarzt und Gründer der Bilkent Universität in Ankara, der führenden privaten Universität der Türkei. Er gründete ebenso die Hacettepe Universität, die führende medizinische staatliche Universität der Türkei. Zahlreiche Organisationen, die sich der Völkerverständigung widmen, gehen auf ihn zurück. Ihsan Dogramacis Sohn, Ali Dogramaci, ist z. Zt. Rektor der Bilkent Universität. Im Vorfeld der Moscheeeröffnung gab es heftige Diskussionen von islamischen Führern über das Für und Wider einer solchen interreligiösen Moschee. So war der Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Bardakoglu, gegen eine Vermischung von Moschee, Kirche und Synagoge. Prof. Dr. Sahin Filiz betrachtete im Gegensatz dazu jeden Platz der Erde als Ort, an dem Muslime beten können. Andere warnten davor, dass die Moschee von Christen missionarisch genutzt werden könnte.
Bilder der Moschee kann man sich anschauen unter:
- www.haber5.com/photos.php?pg_galleries_id=133
- www.cnnturk.com/HaberDetay/Turkiye/2/Hiristiyan_ve_Musevilerin_ibadet_edebilecegi_cami/495017/0#changeImg