Muslimische Astronauten im Weltall – Regeln der Scharia

Alexander Schaer

Malaysia: Erlass von Richtlinien für den Aufenthalt muslimischer Astronauten im Weltraum anlässlich des Starts von Dr. Scheich Muszaphar Shukor zur ISS am 10. Oktober 2007 von lic.iur. Alexander Schaer.1

I.

Die malaiische Raumfahrtagentur (ANGKASA) wurde 2002 errichtet und ist verantwortlich für die Ausbildung von Astronauten, astrophysikalische Forschung sowie die Beratung der Regierung bei der Entwicklung einer nationalen Weltraumpolitik. Unterstützt wird die Entwicklung des malaiischen Weltraumprogramms von Russland.2 Das Angkasawan- Programm3 startete im Oktober 2003. Bis zum September 2006 wurden aus über 11.000 Bewerbern die beiden malaiischen Astronauten für das russische Ausbildungsprogramm ausgewählt. Im September dieses Jahres wurde der 35-jährige Dr. Scheich Muszaphar Shukor auserwählt, am 10. Oktober, also während des Fastenmonats Ramadan, als erster Angkasawan an Bord einer russischen Sojus TMA-11 für zehn Tage ins All zu fliegen. Dies zudem im Jahr des 50-Jahr-Jubiläums des sowjetischen Sputnik-Starts sowie des 50-Jahr-Jubiläums der malaiischen Unabhängigkeit. Wie ANGKASA betont, stellt das Angkasawan-Programm nur einen ersten, wenn auch wichtigen,4 Schritt in Malaysias Weltraumpolitik dar.5 So wurden insbesondere auch Hoffnungen geäußert, bis 2018 über ein eigenes Raumtransportfahrzeug zu verfügen6 sowie bis 2020 einen Angkasawan auf den Mond schicken zu können.7

II.

Für Aufmerksamkeit sorgte insbesondere die Tatsache, dass mit dem Weltraumflug des gläubigen Muslims nicht zuletzt auch zahlreiche Fragen8 zur Glaubensausübung im Weltraum aufgeworfen wurden. Zu diesem Zweck luden ANGKASA sowie das Islamische Entwicklungsamt von Malaysia (JAKIM) am 25./26. April 2006 namhafte Experten zu einem Seminar über den Islam und das Leben im All ein. Im April diesen Jahres veröffentlichte das JAKIM eine Broschüre unter dem Titel „Erfüllung religiöser Pflichten auf der Internationalen Raumstation (ISS)“, deren Wortlaut im Anhang mit freundlicher Genehmigung des JAKIM erstmals in deutscher Sprache publiziert wird. Die derzeit nur auf malaiisch vorliegende Broschüre soll inskünftig auch auf Russisch, Arabisch und Englisch übersetzt werden. JAKIM-Generaldirektor Dato’ Mustafa Bin Abdul Rahman wertete den Flug eines muslimischen Astronauten ins All als Zeichen dafür, dass der Islam kein Hinderungsgrund für den Fortschritt sei und Muslimen das Reisen ins All nicht verunmöglicht werde9. Die religiösen Pflichten, die in dieser Richtlinie behandelt werden, sind zum Beispiel die Erfüllung der Reinlichkeitsvorschriften sowie die Einhaltung von Gebetszeiten und der Fastenzeit. Für den Todesfall regelt die Richtlinie auch die Möglichkeit einer würdigen Bestattung der Leiche.

Anhang: Erfüllung religiöser Pflichten auf der Internationalen Raumstation (ISS)

Vorwort

Assalamualaikum warahmatullahi wabarakaatu.

Allahs Segen ist gewiss, weil das Islamische Entwicklungsamt erfolgreich die Richtlinie zur Erfüllung der religiösen Pflichten auf der Internationalen Raumstation ISS als einen Leitfaden für islamische Astronauten herausgegeben hat. Diese Richtlinie stellt eine feste Regel für jeden Muslim dar, der die Grenzen von Raum, Zeit und Kontext überschreitet.

Der Islam betont stets die fünf Grundprinzipien, nämlich: Die Bewahrung des Glaubens, der Seele, des Intellekts, der Abstammung und der weltlichen Güter in der Sicherstellung des Vorteils für das Leben der Glaubensgemeinschaft. In schwierigen Zeiten hat der islamische Glauben Erleichterungen (Ersatzmöglichkeiten) vorgesehen, damit sichergestellt ist, dass die Gläubigen ihren religiösen Pflichten nachkommen können. Daher, obgleich die Bedingungen in der ISS etwas anders sind als auf der Erde, besteht kein Hinderungsgrund für den Astronauten, seine Rituale nicht wie im Islam vorgeschrieben auszuführen.

Mögen diese Richtlinien für Astronauten, die sich auf der ISS aufhalten, ein praktischer Leitfaden sein und darüber hinaus eine Referenz für die Gesellschaft. Das Verständnis des Islam wird sicherstellen, dass die wissenschaftliche Forschung größere Bedeutung erhält.

Dato’ Mustafa Bin Abdul Rahman
Direktor
Islamisches Entwicklungsamt von Malaysia

A. Erfüllung religiöser Pflichten

Die religiösen Pflichten, über die in dieser Richtlinie gesprochen wird, sind die Art und Weise wie man seine Verrichtungen vornehmen soll, wie zum Beispiel sich nach der Toilette zu reinigen, die Gebetszeiten zu bestimmen, die Himmelsrichtung nach Mekka zu ermitteln, seine Gebete zu verrichten, seine Fastenzeit zu bestimmen, wie man eine Leiche versorgt, und noch weitere.

B. Das Weltall

Luft, Himmel und Weltall bedeuten den Raum außerhalb der Erdatmosphäre.

C. Islamischer Ratgeber und Islamisches Gesetz

Die Hauptbedeutung der Regel ist ist die Reinheit der Religion zu bewahren, im Hinblick auf Geist, Seele, Besitz und Abstammung.

D. Ersatzmöglichkeiten

Der Akt, heiligen Staub auf das Gesicht und die Hände zu reiben als Akt des Ersatzes für die rituellen Waschungen vor dem Gebet auf Grund des Nichtvorhandenseins von Wasser oder eventueller Hindernisse in der Verwendung von Wasser.

E. Halal-erlaubt

Vorschrift, die etwas oder eine Handlung im Islam erlaubt.

F. Bedeckung des Körpers

Die Körperteile, die vorschriftsmäßig bedeckt gehalten werden müssen oder vor Blicken geschützt werden sollen (nach islamischem Gesetz).

1. Zweck

Die Richtlinie zur Erfüllung religiöser Pflichten auf der Internationalen Raumstation, ISS wird vom Islamischen Entwicklungsamt von Malaysia herausgegeben, um für islamische Astronauten im Hinblick auf die Erfüllung religiöser Verpflichtungen auf der ISS ein Leitfaden zu sein. Mit dem Vorhandensein dieser Richtlinie ist zu hoffen dass der islamische Astronaut sich im Weltall ganz seiner Forschung widmen, sowie auch problemlos seinen islamischen Verpflichtungen nachkommen kann. Daneben wird auch darauf hingewiesen, wie man unter allen Umständen die islamischen Gesetze einhalten kann.

2. Einführung

2.1 Das Thema der Erfüllung religiöser Verpflichtungen im Weltraum ist aktuell geworden mit der Bekanntgabe der Regierung im Juni 2003, einen Astronauten zur ISS zu schicken.

2.2 Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Astronaut, der auf die ISS geschickt wird, ein Moslem ist, sind von den Akademikern viele verschiedenen Ansichten und Kommentare über dieses Thema abgegeben worden.

2.3 Wie man sich nach der Toilette reinigen soll, die Gebetszeit bestimmen, die Himmelsrichtung von Mekka ermitteln, wie man beten soll, die Fastenzeit zu ermitteln, eine Leiche zu versorgen und weiteres mehr, all diese Themen haben viele Fragen in der Gemeinschaft aufgeworfen.

2.4 In Verbindung damit ist von der Nationalen Raumfahrtagentur (ANGKASA) in Zusammenarbeit mit dem Islamischen Entwicklungsamt von Malaysia (JAKIM) zum Zwecke der Festlegung der Themen die sich mit der Erfüllung religiöser Verpflichtungen im Weltall und auf der ISS aus islamischer Sicht ergeben und um eine Lösung für die folgenden Fragestellungen zu finden vom 25.-26.April 2006 ein Seminar über den Islam und das Leben im All veranstaltet worden.

3. Durchführung der religiösen Pflichten in der ISS

Die Erfüllung der religiösen Verpflichtungen auf der ISS umfasst die folgenden Punkte:

3.1 Wie man sich nach der Toilette reinigen soll Istinjak, die Reinigung nach der Toilette, ist mit den Papiertaschentüchern die von der ISS bereitgestellt werden, durchzuführen.

Die Vorschriften beim Istinjak sind wie folgt:

  1. Das Material das zum Istinjak benutzt wird, muss sauber sein, nicht von Fäkalien verschmutzt und nicht aus respektwürdigen Materialien.
  2. Das Material muss trocken sein.
  3. Das Material soll rau sein.
  4. Die benutzten Dinge sollen mindestens in Dreiersets benutzt werden, zum Beispiel drei Steine.
  5. Stuhl der austritt ist nicht trocken.
  6. Stuhl der austritt soll nicht neben seine Austrittsbahn fließen.

3.2 Rituelle Reinigungen

  1. Eine kleine Reinigung wird mit der Ersatzmöglichkeit geregelt, indem man zum Beispiel in der ISS gegen die Wand klopft, gegen eine Glasscheibe oder dergleichen, auch wenn es dort keinen Staub gibt.
  2. Eine große Reinigung wird ebenso geregelt wie in Abschnitt 3.2 (i) beschrieben.

3.3 Festlegen der Himmelsrichtung von Mekka

Die Festlegung der Himmelsrichtung von Mekka folgt den Punkten die auf der folgenden Liste angegeben sind:

  1. Kaaba
  2. geschätzte Richtung der Kaaba
  3. Planet Erde
  4. irgendeine Richtung

3.4 Ermitteln der Gebetszeit Fünf Gebetszeiten innerhalb von 24 Stunden (1 Erdentag), man benutzt dieselbe Zeitzone, die sich nach der Abflugzeit des Astronauten richtet.

3.5 Regeln für das Gebet

  1. Das Gebet kann abgekürzt werden oder ganz wegfallen, ohne späteren Ersatz.
  2. Die ordentliche Durchführung der Gebete richtet sich nach den Gegebenheiten auf der ISS und folgt den Punkten die auf der folgenden Liste angegeben sind:
    1. Wenn der Astronaut nicht aufrecht stehen kann, dann soll er sich aufrichten, so weit es geht.
    2. Wenn er nicht stehen kann, dann soll er sitzen. Eine Person kann die Verbeugung „Rukuk“ im Sitzen ausführen, mit dem Kopf halb auf die Knie gebeugt, oder den Gegebenheiten entsprechend.
    3. Wenn er nicht sitzen kann, soll er das Gebet im Liegen auf der Seite verrichten. Er soll sich auf die rechte Seite legen und mit dem Kopf nach Mekka zeigen.
    4. Wenn er sich nicht auf die Seite hinlegen kann, soll er sich auf den Rücken legen.
    5. Wenn er auch nicht auf dem Rücken liegen kann, soll er mit den Augen Signale geben, die für die Bewegungen während des Gebets stehen.
    6. Wenn das nicht möglich ist, dass muss er sich das Gebet im Geiste vorstellen.
  3. Die Gebetsformeln werden genauso gesprochen wie auf der Erde.

3.6 Fastenregeln

  1. Das Fasten kann auf der ISS durchgeführt werden oder auf der Erde als Ersatz später nachgeholt werden, wenn es im Fastenmonat Ramadan vorkommt.
  2. Die Ermittlung der Fastenzeiten richtet sich nach dem Abflugsort des Astronauten.

3.7 Das Versorgen einer Leiche

  1. Die Leiche muss auf die Erde zum Begräbnis zurückgebracht werden.
  2. Wenn die Leiche nicht zurück auf die Erde gebracht wird, muss man ein abgekürztes Begräbnis im Weltraum durchführen.

4. Angelegenheiten, die damit in Verbindung stehen

4.1 Nahrung

Wenn das angebotene Essen nicht anzunehmenderweise Halal ist, soll der Astronaut es nur essen, um seinen Hunger zu stillen.

4.2 Kleidungsvorschriften

  1. Der islamische Astronaut muss seinen Körper bedecken, insbesondere:
    1. für den Mann: zwischen Bauchnabel und Knie ist der Körper zu bedecken
    2. für die Frau: der gesamte Körper außer dem Gesicht und den Handflächen ist zu bedecken

4.3 Verhalten auf Entdeckungsreisen

  1. Die Reise ins Weltall ist eine Entdeckungsfahrt wie sie im Islam angeraten wird.
  2. Der Astronaut muss sich an bestimmte Verhaltensregeln für Reisende halten, wie:
    1. ständig ein gutes Verhältnis zu Gott aufrechtzuerhalten
    2. die Harmonie in der Reisegruppe zu bewahren
    3. die Umwelt zu schützen und zu erhalten

5. Schlusswort

Es ist zu hoffen, dass diese Richtlinien von den islamischen Astronauten befolgt werden können, um sicherzustellen, dass diese Entdeckungsreise ins Weltall ein Erfolg wird und Gottes Segen erhält.


  1. Lic. iur. Alexander Schaer ist Assistent am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte sowie Staats- und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Andreas Kley an der Universität Zürich. Der Autor dankt an dieser Stelle ganz herzlich Frau Elisabeth Rickens sowie dem JAKIM für die Unterstützung sowie die Abdruckgenehmigung. 

  2. So stimmte beispielsweise die russische Regierung 2003 im Rahmen eines $900 Millionen-Kaufes von 18 russischen Sukhoi SU-30 MKM Kampfjets durch die malaiische Luftwaffe zu, zwei malaiische Astronauten auszubilden sowie einem davon eine Reise ins All zu ermöglichen. Die Kosten der Ausbildung sowie der Reise in der Höhe von $25 Millionen wurden von Russland getragen (vgl. „The Angkasawan programme“, in: Sunday Star vom 5. August 2007, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/news20070805b.html sowie „Malaysian Astronaut To Space To Be Decided At Last Minute”, in: Bernama vom 24. September 2007, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/news20070924.html). 

  3. „Angkasawan“ ist das malaiische Wort für Astronaut. 

  4. Dr. Scheich Muszaphar Shukor beschrieb anlässlich der offiziellen Pressekonferenz den ersten malaiischen Weltraumflug wie folgt: „It’s a small step for me, but a great leap for the Malaysian people“ (vgl. Ritikos Jane, „Sheikh Muszaphar set to be first Malaysian in space“, in: The Star vom 10. Oktober 2007, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/news20071010c.html). 

  5. Es wurde denn auch stets betont, dass es sich bei dieser Mission nicht um einen „Ausflug“, sondern um eine ernsthafte Mission mit diversen Studien und Forschungen handle, welche für Malaysia von grosser Wichtigkeit sei (vgl. z.B. „Space mission not a tour programme“, in: The Star vom 12. Juli 2007, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/news20070712.html sowie „The Angkasawan programme“, in: Sunday Star vom 5. August 2007, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/news20070805b.html). 

  6. So Dr. Scheich Muszaphar Shukor in seinem offiziellen Interview, abrufbar unter: http://www.angkasawan.com.my/mainatsb/atsb/about_interview.html. 

  7. Vgl. Kent Jonathan, „Malaysia has high hopes for moon”, in: BBC News vom 28. August 2005, abrufbar unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/4192166.stm sowie „Malaysia mulls prayer guidelines for Muslim astronauts“, in: Japan Economic Newswire vom 25. April 2006. 

  8. Z.B. wie reinigt man sich nach der Toilette, wie bestimmt man die Gebetszeit, die Himmelsrichtung von Mekka oder die Fastenzeit, wie betet man oder wie versorgt man im Todesfall die Leiche eines Astronauten.