Iranische Regierung will Todesstrafe für Apostaten gesetzlich verankern
B O N N (28. Februar 2008) Als alarmierenden Verstoß gegen die Menschenrechte und die Religionsfreiheit bezeichnet die Islamwissenschaftlerin Dr. Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen das geplante iranische Gesetz zur Festlegung der Todesstrafe für muslimische Apostaten. Da bisher eine gesetzliche Festlegung dieser Strafe fehlte, konnten die Richter auch entsprechend lange Gefängnis- oder harte Arbeitsstrafen verhängen. Da sich der Gesetzesentwurf nach Artikel 112 auf alle Aktionen gegen die innere und äußere Sicherheit des Landes bezieht, wären künftig auch iranische Christen, die aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschoben würden, von einer Verurteilung bedroht und in Lebensgefahr. Nachdem der Gesetzesentwurf bereits im Januar vom Kabinett genehmigt wurde, steht die erwartete Zustimmung des Parlaments noch aus. Das Gesetz würde neben Konvertiten zum Christentum auch liberale Denker und Mitglieder der religiösen Minderheit der Baha’i betreffen. (Neben der Apostasie sieht der Gesetzesentwurf die Todesstrafe für Trunkenheit, Vergewaltigung, Mord, bewaffneten Diebstahl, Drogenhandel, Ehebruch und männliche Homosexualität vor.)
Umkehrfrist für „nationale“ Apostaten und lebenslange Haft für Frauen
Der Gesetzesentwurf differenziert zwischen „geborenen“ und „nationalen“ Apostaten. Erstere sind bei mindestens einem muslimischen Elternteil aufgewachsen und haben sich später vom Islam abgewandt. Für sie fordert Artikel 225, Abschnitt 7 uneingeschränkt: „Die Strafe für einen ‚geborenen‘ Apostaten ist der Tod.“ Unter einem „nationalen“ Apostaten wird ein iranischer Bürger verstanden, der in einem nichtmuslimischem Haus aufgewachsen ist, sich dann zum Islam bekehrt und später wieder abgewandt hat. Ihm wird vor der endgültigen Verurteilung zum Tod eine dreitägige Frist zur Umkehr zugestanden. Frauen können nach Artikel 225, Abschnitt 10 von der Todesstrafe verschont und stattdessen zu lebenslanger Gefängnisstrafe verurteilt werden. Sie sollen jedoch durch harte Haftumstände zur Rückkehr zum Islam bewogen und sofort entlassen werden, sobald sie widerrufen.
Muslimische Rechtsschulen sind sich bei Todesstrafe einig
Obwohl in der islamischen Geschichte immer wieder einzelne muslimische Rechtsgelehrte Bedenken gegen die Todesstrafe für Apostaten geäußert haben und Vertreter eines unpolitisch-liberalen Islam heute fordern, einen Glaubenswechsel nicht als todeswürdiges Verbrechen sondern als Privatangelegenheit zu betrachten, hat sich an der grundsätzlichen Schariaposition der offiziellen Theologie zur Apostasie nichts geändert. Die vier sunnitischen sowie die schiitische Rechtsschule sind sich darin einig, dass das überlieferte islamische Recht für den Glaubensabfall die Todesstrafe fordert. Unter anderem wird auf Sure 4,89 verwiesen: „Und wenn sie sich abwenden (und eurer Aufforderung zum Glauben kein Gehör schenken), dann greift sie und tötet sie, wo (immer) ihr sie findet, und nehmt euch niemand von ihnen zum Freund oder Helfer!“ Zudem soll Mohammed nach einer Überlieferung gesagt haben: „Wer seine Religion wechselt, den tötet!“ Auch die „Kairoer Menschenrechtserklärung“ von 1990 und die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam“ von 1981 sprechen nur dem ein Recht auf Leben zu, der den Maßgaben der Scharia und ihren Gesetzen nicht zuwider läuft. Dieses einseitige Verständnis von Glaubens- und Religionsfreiheit zählt zu den zentralen Streitpunkten im nationalen und internationalen religiösen Dialog. Auf beiden Seiten würden mit Begriffen wie Menschenrechten, Glaubensfreiheit und religiöser Toleranz unterschiedliche religiöse und gesellschaftspolitische Inhalte verbunden, so Schirrmacher.
Hintergrund: Christen im Iran
Christen machen derzeit etwas 0,3 Prozent der iranischen Bevölkerung aus. Dazu zählen unter anderem 150.000 armenische und assyrische Christen. Die Zahl der meist im Untergrund lebenden Konvertiten wird auf 250.000 geschätzt. Christen der angestammten christlichen Kirchen ist es verboten, Konvertiten zu unterstützen. So genannte Religionswächter führen Kontrollen in den angestammten Kirchen durch, um fest zu stellen, ob sich unter den Besuchern auch Muslime befinden. Als der bekannte Konvertit und spätere Pastor Mehdi Dibaj im Jahr 1994 aufgrund seiner Konversion hingerichtet werden sollte, erhob sich internationaler Protest, Dibaj wurde schließlich freigelassen. Wenige Jahre nach seiner Freilassung wurden jedoch Dibaj und vier andere protestantische Pastoren brutal ermordet. Da die Mörder nie vor Gericht gestellt wurden, schließen einheimische Christen eine Mitwisserschaft oder sogar Beteiligung offizieller Kreise an den Geschehnissen nicht aus.
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