Ergebnis einer Befragung von Islamlehrern in Österreich beunruhigt
27 Prozent gegen Menschenrechtserklärung; 18 Prozent für Todesstrafe bei Abwendung vom Islam; 28 Prozent verstehen sich nicht als Europäer
B O N N (02. März 2009) – Als alarmierende Signale beschreibt Albrecht Hauser vom Institut für Islamfragen die neuesten Vorfälle rund um den islamischen Religionsunterricht in Österreich. Nach einer im Januar 2009 vorgestellten Studie des Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchide, in der er mehr als 200 der knapp 400 Islamlehrer Österreichs befragte, lehnen 21,9 Prozent der Lehrer die Demokratie ab. 27,1 Prozent halten die UN-Menschenrechtserklärung von 1948 für unvereinbar mit dem Islam und 18,2 Prozent äußerten Verständnis dafür, dass ein Muslim, der vom Islam abgefallen ist, mit dem Tod bestraft würde. 28,4 Prozent sehen einen Widerspruch zwischen ihrer Identität als Muslim und der als Europäer. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ), die für die Ausbildung der Lehrkräfte und die Unterrichtsaufsicht in ganz Österreich zuständig ist, versuchte in einer ersten Reaktion auf die Studie, die Wissenschaftlichkeit der Untersuchung in Zweifel zu ziehen und beklagte einen permanenten Kollektivverdacht gegen die österreichischen Muslime.
Aufruf im Islamunterricht zum Boykott „jüdischer Produkte“ wie MacDonalds, Coca-Cola und Hugo Boss
Verstärkt wurde die Kritik an der IGGIÖ in der österreichischen Öffentlichkeit durch den Fall des Islamlehrers Engin A. Der 33-Jährige soll am 14. Januar 2009 zur Zeit des Gaza-Krieges im Islamunterricht einer Wiener Hauptschule Schülern eine Liste „jüdischer Firmen“ wie MacDonalds, Coca-Cola und Hugo Boss ausgedruckt und zu deren Boykott aufgerufen haben. Engin A. hatte sein Fehlverhalten zunächst gegenüber dem Schuldirektor und dem Bezirksschulinspektor schriftlich gestanden. Nach der darauf folgenden Vertragsauflösung protestierte er heftig, wies jegliche Schuld von sich und schob die Verantwortung für die nachweislich vom Lehrercomputer ausgedruckte Liste auf die Schüler. Khorchide, der Verfasser der Studie, warnte in seiner Reaktion auf den Fall vor ausschließlich plakativen (oberflächlichen) und kurzfristigen Maßnahmen und forderte eine grundsätzliche Reform der Ausbildungsstruktur für Religionslehrer. Engin A., der seit 28 Jahren in Wien lebt und perfekt Deutsch spricht, ist nach seiner Einschätzung noch besser integriert als viele andere Religionslehrer.
Kritik an Leitung der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs: „Staat im Staate“
Die österreichische Bildungsministerin Claudia Schmied hat mittlerweile mit einem Fünf-Punkte-Plan reagiert, in der die IGGIÖ verpflichtet wird, allen Religionslehrern, die die Prinzipien der Demokratie, der Verfassung und der Menschenrechte in ihrem Unterricht missachten, die Unterrichtserlaubnis zu entziehen. In der österreichischen Debatte werden zudem immer mehr Stimmen laut, die einen Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden der IGGIÖ, Anas Schakfeh, fordern. Nachdem Schakfeh am vergangenen Dienstag den Voralberger Islamlehrer Any El-Ghoubashy wegen seiner reformorientierten Kritik an der IGGIÖ entlassen hatte, sprach Bouzziane Ghessas von der „Initiative liberaler Muslime Österreich“ von „Zuständen wie in Saudi-Arabien“. Lehrer hätten zunehmend Angst, öffentlich Kritik zu üben und Schakfeh agiere „wie ein Staat im Staate“.
Mängel bei Lehrerausbildung, Lehrmaterial und Unterrichtsaufsicht
Diese Vorfälle verdeutlichen nach Einschätzung von Albrecht Hauser die Schwächen des österreichischen Integrationsmodells. Mit dem Islamgesetz von 1912 wurde der Islam im Zuge der Annexion Bosniens durch die österreichisch-ungarische Monarchie als Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt und den Muslimen Selbstbestimmung zugesichert. 1979 erhielt die IGGIÖ den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Seitdem bestimmt die IGGIÖ die Ausrichtung des Religionsunterrichts – von der Lehrerausbildung, über die Lehrpläne und das Lehrmaterial bis hin zur Unterrichtsinspektion. Die Kritik richtet sich nun vor allem gegen die mangelhafte Ausführung dieser Aufgaben. So war zeitweise das Mitglied einer international als Terrororganisation eingestuften Vereinigung als Religionslehrer in Wien tätig. Zudem wurde acht Jahre lang das Buch „Das Erlaubte und das Verbotene im Islam“ des ägyptischen Gelehrten Yusuf al-Qaradawi im Unterricht verwendet, der unter anderem die Todesstrafe für die Abwendung vom Islam rechtfertigt und für das Züchtigungsrecht des Mannes gegenüber seiner Ehefrau eintritt. Ein weiteres Problem besteht in der mangelhaften Ausbildung der meisten Lehrer, die zum Teil keine eigene fachliche oder pädagogische Ausbildung vorweisen können und erhebliche Defizite in der deutschen Sprache aufweisen. Eine Unterrichtsaufsicht soll aus Mangel an Fachinspektoren über 20 Jahre überhaupt nicht stattgefunden haben. Da sich die Mehrheit der österreichischen Muslime nicht durch die IGGIÖ vertreten fühlt, kommt das Problem der mangelnden Repräsentativität des Verbandes hinzu.
In Deutschland aus den österreichischen Erfahrungen lernen
Aufgrund der nicht mit den Kirchen vergleichbaren Organisationsstruktur des Islam bieten die meisten Bundesländer in Deutschland bisher nur einen bekenntnisungebundenen Islamkundeunterricht an. Versuche einer Institutionalisierung eines islamischen Religionsunterrichts scheiterten bislang vor allem an einem fehlenden repräsentativen Ansprechpartner für den deutschen Staat. Laut Hauser wäre angesichts der Pläne der hessischen Bildungsministerin Dorothea Henzler (FDP) zur Einführung eines bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterrichts eine genaue Auswertung der österreichischen Entwicklung zu überlegen, um der Vermittlung verfassungsfeindlicher Inhalte unter dem Deckmantel des Religionsunterrichts vorzubeugen.
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