Erbakan kam zum 40-jährigen Jubiläum von Milli Görüs
(Institut für Islamfragen, mk, 26.04.2010) Im April feierte die Islamische Gemeinschaft Millig Görüs [IGMG] in Duisburg ihr 40-jähriges Jubiläum mit 2.500 Teilnehmern. Anwesend war auch ihr Gründer, der frühere türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan. Er hielt eine fast zweistündige Ansprache, in der laut taz Begriffe verwendet wurden wie: „rassistischer Imperialismus“ und „gute alte Zeiten des Osmanischen Reiches“. Da der Kommunismus und Kapitalismus die Menschheit nur unterdrückt habe, so Erbakan, sei die „Erlösung der ganzen Menschheit“ durch das Wirken der IGMG erklärtes Ziel. Der 83-jährige Erbakan wurde als „Mücahit“ bejubelt, d.h als „islamischer Glaubenskämpfer“.
Allein die Männer durften in den Innenraum der Duisburger Mercatorhalle. Für die Frauen öffnete sich nur die Empore. Der Verfassungsschutz beobachtet die IGMG in Deutschland seit Jahren. Sie gilt als größte nichtstaatliche organisierte Interessenvertretung türkischstämmiger bzw. türkischer Mitbürger in Europa. Von den – nach Aussagen der IGMG – 514 Gemeinden befinden sich 323 in Deutschland, mit – so der Verfassungsschutz – rund 29.000 Mitgliedern. Auf ihrer Internetseite www.igmg.de spricht die IGMG von 107.000 Kindern, denen sie im Jahr 2009 “Bildung“ in ihren Grundkursen vermittelt habe. Auf dieser Seite wird auch auf die Ansprache Erbakans eingegangen, in der er den Islam als eine Religion der Barmherzigkeit und Geschwisterlichkeit darstellte. In der Geschichte habe der Islam Andersgesinnten gegenüber stets Barmherzigkeit geübt und bei den islamischen Eroberungen kein Blut fließen lassen. Insbesondere in Mekka 630/631 n. Chr. sei beim Einzug Mohammeds kein Blut vergossen worden. Mohammed sei nach dieser Eroberung in sein bescheidenes Haus nach Medina zurückgekehrt. Ebenso hätten sein Nachfolger Umar [der zweite Kalif nach Muhammad] und auch Saladin beim Einzug in Jerusalem kein Blut vergossen und Religionsfreiheit gewährt.
Auf der türkischen Internetseite „Ozturkler“ [www.ozturkler.com] wird eine weitere Ansprache Erbakans bei der IGMG in Berlin dahin gehend zitiert, dass es Milli Görüs zu verdanken sei, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos das Wort gegen Israel ergriffen habe. Ebenso sei es Milli Görüs zu verdanken, dass die Frau des Ministerpräsidenten heute ein Kopftuch trage. Milli Görüs sei der Anfang einer neuen Weltordnung, schwärmte Erbakan. Der Begriff „Dschihad“ bedeute dagegen nur, dass man ständig arbeiten solle und zwar für das „Glück“ aller Menschen. Erbakan rief dem Westen zu, dass die Menschen ins Unglück geraten würden und sprach davon, dass Milli Görüs in der Türkei das neue Projekt „Große Türkei“ plante. Auf der Internetseite gencbilim [www.gencbilim.com] ist als Extrakt aus dieser Ansprache zu lesen, dass der Westen von den Muslimen Wissenschaften, Sauberkeit und gutes Verhalten erlernt hätte, auch wenn er dies immer verleugnen würde.
Quelle:
- www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/schlichtes-weltbild/
- www.igmg.de/nachrichten/artikel/2010/04/22/igmg-bildungsrat-tagt-in-kerpen.html
- www.igmg.de/nachrichten/artikel/2010/04/23/feierlichkeiten-zum-40-jahr-der-islamischen-gemeinschaft-milli-goerues-in-duisburg.html
- www.saadet.org.tr/haber/adil-bir-dunya-icin-milli-gorus
- www.ozturkler.com/necmettin-erbakan-islami-Milli-Gorus-dernegi.html,01d032
- www.gencbilim.com/Haber/Necmettin-Erbakan-Almanyada-konustu_69098.html
Kommentar: Erbakan gilt bis heute als Vordenker der Bewegung Milli Görüs. Seiner Auffassung nach kommt die Rettung der Menschheit allein aus dem Islam, wie er ihn versteht. Er studierte in der Türkei Maschinenbau und promovierte an der Technischen Hochschule Aachen 1953. In der Türkei gründete er verschiedene Parteien, die fast alle nach einer gewissen Zeit verboten wurden. Er wurde 1980 inhaftiert und erhielt mehrfach Politikverbot [u. a. wegen Volksverhetzung], wurde wegen Betrug und Dokumentenfälschung in der Türkei verurteilt. 1996-1997 war er stellvertretender türkischer Ministerpräsident. Der heutige türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan gilt als sein „gelehrigster Schüler“ [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8946876.html].
Kinder und Jugendliche lernen im IGMG-Unterricht vor allem den arabischen Koran auswendig. Unter “Bildung“ versteht die IGMG nach Auffassung des Verfassungsschutzes vor allem islamisches bis islamistisches Gedankengut, das einen unter einem Kalifen geführten Staat als Ziel hat.
Auf der islamkritischen türkischen Seite www.sansursuz.com spricht der Kolumnenschreiber Ataman Aksöyek dieses islamistische Selbstverständnis der „Gotteskämpfer Erdogans“ „Gotteskämpfer Erbakans“ an. Demnach gehören zum islamischen Glauben an den einen Gott eben auch ein einziges Land und ein einziges Gesetz. Der Islam teile die Welt in die Welt des Islams und die Welt des Krieges ein, die erst noch für den Islam gewonnen werden müsse und zwar mittels des Dschihad. Diejenigen, die diesen Dschihad ausführen sind die Mücahit, also Gotteskämpfer, ihr Gesetz, das sie bringen, ist die Scharia. Der Islam habe den Dschihad geschichtlich schon immer verschieden ausgelegt. Wenn der Islam schwach gewesen sei in einem Land, dann wurde der Dschihad als innerer Kampf ausgelegt. Wenn der Islam aber erstarkte, wurde er als aggressive Bewegung nach außen ausgelegt. Auf jeden Fall gehe es immer um die Ausbreitung des Islam. Im Christentum sei allerdings die Trennung zwischen Staat und Religion angelegt.