Pressemitteilung zur fehlenden Glaubensfreiheit in islamischen Ländern

Institut für Islamfragen

Wirklich „kein Zwang in der Religion“ (Sure 2,256)?

B O N N (14. Dezember 2010) „Es gibt keinen Zwang in der Religion“. So steht es im Koran, in Sure 2,256. Darauf verweisen muslimische Gelehrte und Vertreter muslimischer Dachorganisationen zum Thema Glaubensfreiheit. Doch „wer seine Religion wechselt, den tötet“, sagte Muhammad laut offizieller Überlieferung. Daher rechtfertigt oder fordert die herrschende Mehrheit dieser Gelehrten bis heute die Todesstrafe für denjenigen, der sich erkennbar vom Islam abwendet. Außerdem sollen in einigen Ländern wie z. B. Pakistan Nichtmuslime durch spezielle Gesetze gegen Blasphemie und Beleidigung des Islam gehindert werden, ihren Glauben oder auch Nicht-Glauben öffentlich zu bekennen und Muslime in ihrem Glauben zu verunsichern. Jüngste Prozesse gegen Konvertiten zum Christentum verdeutlichen nach Einschätzung von Prof. Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen erschreckend die islamische Haltung zum Glaubenswechsel, die nach wie vor größtenteils vom Scharia-Recht geprägt wird. Dadurch komme es zu schweren Verletzungen der Glaubens- und Meinungsfreiheit in islamischen Ländern.

Iranischer Pastor zum Tod verurteilt – Begründung: Abfall vom Islam

In der nordiranischen Stadt Rascht ist dieser Tage der iranische Pastor Yousef Nadarkhani wegen Abfall vom Islam zum Tod verurteilt worden. Bereits seit Oktober 2009 ist er inhaftiert. Das Oberste Gericht des Iran muss das Urteil noch bestätigen. Im Mai 2010 ist auch Nadarkhanis Ehefrau, Fatemeh Pasandideh, verhaftet worden, offensichtlich um auf ihren Mann Druck auszuüben. Sie soll zu lebenslanger Haft verurteilt worden sein. Nadarkhani hat sich nichts zu Schulden kommen lassen; als Grund seiner Verurteilung wird allein sein Glaubenswechsel angegeben. Nadarkhani ist kein Einzelfall. In diesem Jahr sind etwa 30 Personen in verschiedenen iranischen Städten aufgrund ihrer Abwendung vom Islam verhaftet worden. Auch die religiöse Minderheit der Baha‘i wird im Iran seit vielen Jahren hart verfolgt, viele ihrer führenden Mitglieder wurden inhaftiert und ermordet. Nach dem Urteil eines pakistanischen Gerichts vom November 2010 soll die Christin Asia Bibi gehängt werden, weil sie in einem Streitgespräch mit muslimischen Arbeitskolleginnen den islamischen Propheten Muhammad durch einen Vergleich mit Jesus „beleidigt“ haben soll. Das Berufungsverfahren läuft noch. Ein Imam vor Ort warnte die pakistanische Regierung bereits vor einem Freispruch Bibis und einer Entschärfung des Blasphemie-Gesetzes, das in Pakistan die „Lästerung“ Muhammads oder des Korans mit der Todesstrafe bedroht. Zugleich setzte er ein Kopfgeld von umgerechnet knapp 5000 Euro auf die Tötung Bibis aus. Auch Bibis Fall steht beispielhaft für eine Serie von Gerichtsverfahren. In diesem Jahr sind dort 125 Christen wegen Blasphemie angeklagt worden. Manche Richter werten bereits das ausgesprochene Bekenntnis zum christlichen Glauben als Gotteslästerung und Beleidigung des Islam.

Einflussreichster sunnitischer Gelehrter: Abtrünniger verrät Staat und Gesellschaft

Nicht nur die schiitischen Mullahs des iranischen Gottesstaates plädieren für ein solches Vorgehen. Auch einflussreiche sunnitische Gelehrte wie der heute wohl bedeutendste ägyptische Theologe, der Fernsehprediger Yusuf al-Qaradawi, rechtfertigen bis heute die Todesstrafe für den Abtrünnigen, der seine Abwendung vom Islam nicht strikt für sich behält. Der Islam ist für Gelehrte wie al-Qaradawi die letzte und vollkommene Botschaft, an der laut Koran kein Zweifel erlaubt ist. Kritisches Hinterfragen seiner Grundlagen ist daher bereits Sünde, Abfall ein todeswürdiges Verbrechen. Da die herrschende Mehrheit der islamischen Gelehrten bis heute am Ideal der Einheit von Staat und Religion festhält, verrät der Abtrünnige Staat und Gesellschaft. Al-Qaradawi fordert daher entschiedenen Widerstand gegen die Apostasie (Abfall vom Glauben) des Einzelnen, bevor sie sich in der Gesellschaft wie eine Krankheit ausbreiten kann. Er untermauert seinen Aufruf mit dem zeitlos gültigen Vorbild Muhammads und dessen Ausspruch: „Wer seine Religion wechselt, den tötet.“ Das hindert al-Qaradawi nicht, den Islam in offiziellen Erklärungen vor einem eher westlichen Publikum als „Religion der Toleranz“ und der Liebe zu beschreiben. Dabei beruft er sich dann auf den Koran-Vers, nach dem es keinen Zwang in der Religion gebe.

Kairoer Menschenrechtserklärung: Islam als „Religion der reinen Wesensart“

Ein ähnliches Verständnis wird auch in der Kairoer Erklärung der Menschenrechte deutlich, die 57 islamische Staaten unterstützen und in der es in Artikel 10 heißt:

„Der Islam ist die Religion der reinen Wesensart. Es ist verboten, irgendeine Art von Druck auf einen Menschen auszuüben oder seine Armut oder Unwissenheit auszunutzen, um ihn zu einer anderen Religion oder zum Atheismus zu bekehren.“

Legitime und nachvollziehbare Gründe für eine Abwendung kann es daher nicht geben. Wenn sich trotzdem jemand abwendet, kann aus dieser Perspektive nur seine Armut oder Unwissenheit ausgenutzt worden sein. Die meisten islamischen Rechtsschulen sehen daher eine Frist vor, in der der Betreffende zur Umkehr aufgefordert werden soll. Lässt der Abtrünnige sich aber durch die muslimischen Gegenargumente nicht überzeugen, kann er nur feindliche Absichten gegenüber der muslimischen Gemeinschaft hegen und muss mit dem Tod bestraft werden. Bezeichnend war in dieser Hinsicht der Prozess gegen Abdul Rahman, der 2006 aufgrund seiner Konversion zum Christentum in Afghanistan zum Tode verurteilt worden war. Aufgrund des starken Protestes westlicher Politiker sahen die Scharia-Richter keine andere Möglichkeit, als Abdul Rahman für geisteskrank und dadurch schuldunfähig zu erklären. Abdul Rahman floh ins italienische Exil. Diese Haltung zum Abfall vom Islam prägt bis heute viele islamische Gesellschaften und begünstigt die soziale und wirtschaftliche Diskriminierung und Verfolgung ehemaliger Muslime. In der Regel ist es vor allem die eigene Familie, die den Betreffenden verstößt oder gar bis hin zum Tod verfolgt, um ihre Ehre wiederherzustellen.

Kritiker fordern unpolitische Auslegung des Korans und werden verfolgt

Der Ruf nach der Todesstrafe für den Apostaten ergeht nicht überall; es gibt auch muslimische Befürworter der vollen Glaubensfreiheit. Bisher sind sie jedoch in ihren islamischen Heimatländern verfolgt und können ihre Reformkonzepte in der Regel nur an westlichen Universitäten verbreiten. Mahmud Taha, der Gründer der sudanesischen Bruderschaft, schlug in den achtziger Jahren vor, sich allein auf die von Mohammed in Mekka verkündigte ethische Botschaft zu konzentrieren. Was Muhammad als Gesetzgeber und Feldherr in Medina geregelt hatte, spiegelt aus seiner Sicht die diskriminierenden Sozialvorstellungen des 7. Jahrhunderts wieder. Nach einem Rechtsgutachten der islamischen Weltliga wurde Mahmud Taha 1985 in seinem Heimatland hingerichtet. Der im Juli 2010 verstorbene muslimische  Literaturwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid wurde 1995 für seine historische Auslegung des Korans von einem ägyptischen Gericht als Häretiker verurteilt. Nachdem das Gericht die Zwangsscheidung von seiner Frau verfügt hatte, flohen die beiden ins holländische Exil. Abu Zaid lehrte bis zu seinem Tod in Utrecht als Professor für Islam und Humanistik. In seinen letzten Veröffentlichungen sprach Abu Zaid von der Notwendigkeit eines personalen Gottes, um ein tieferes Verständnis von Toleranz gegenüber Andersgläubigen zu entwickeln. Auch iranische Kritiker des schiitischen Gottesstaates wie Abdulkarim Sorush oder Muhammad Shabestari leiden bis heute unter zahlreichen staatlichen Restriktionen. Nach Überzeugung mancher Ayatollahs zerstören sie mit ihrer unpolitischen Auslegung des Korans bereits das islamische Fundament von Prophetie und Offenbarung und sind daher als Abtrünnige zu bestrafen.

Vor dem Hintergrund dieser fehlenden Freiheitsrechte in zahlreichen Ländern der Erde erscheint es daher dringend notwendig, dass sich auch die Gesellschaft und Politik der Themen der Glaubensfreiheit sowie der Freiheit, keiner Religion anzugehören, annehmen. Angesichts von Todesurteilen über unschuldige Menschen, deren einziges „Verbrechen“ in ihrer Konversion besteht, dürften demokratische Staaten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, so Schirrmacher.

Zum freien Abdruck, auch einzeln und auszugsweise – Belegexemplar erbeten.