Cornelia Filter, Mein Gott ist jetzt Allah und ich befolge seine Gesetze gern: Eine Reportage über Konvertiten in Deutschland, Piper Verlag: München 2008, 253 Seiten; 18,00 € (gebundene Ausgabe).
Cornelia Filter studierte Germanistik und Geschichte. Sie arbeitete bei verschiedenen Zeitungen wie Die Zeit, Frankfurter Rundschau, Brigitte und vor allem Emma. Heute ist sie Öffentlichkeitsreferentin bei SOLWODI, einem Verein, der sich unter anderem für ausländische Mädchen und Frauen in Deutschland engagiert, die Opfer von Zwangsprostitution, arrangierten Ehen oder häuslicher Gewalt geworden sind.
Der Klappentext des Buches umreißt das Thema so:
„Tausende sind es jedes Jahr in Deutschland, und man weiß nichts über sie. Sie waren laue oder gläubige Christen, überzeugte Linke oder Grundkonservative, arrivierte Akademiker oder Arbeiter, Atheisten oder einfach auf der Suche nach dem Sinn des Lebens: die Frauen und Männer, die jedes Jahr zum Islam konvertieren.“
In der ersten Reportage über eine markante Minderheit fragt Cornelia Filter nach der Motivation der Konvertiten und den Konsequenzen für die Gesellschaft. Laut Klappentext ist die „Wirklichkeit der muslimischen Konvertiten in Deutschland […] vielschichtiger, aufregender und interessanter als alles, was wir bisher davon wussten.“
Es gibt bisher keine verlässlichen Statistiken über Konvertiten in Deutschland. Die FAZ nennt eine Zahl zwischen knapp 20.000 bis 100.000 (S. 12) Konvertiten insgesamt. Die Islamische Zeitung spricht von ca. 20.000 Konversionen zwischen 2001–2006 (im Durchschnitt ca. 3.330 pro Jahr). Die Zeit-Autorin Julia Gerlach wies im Oktober 2007 darauf hin, dass die „strikten, am Wortlaut des Korans orientierten Richtungen“ des Islam den größten Zulauf an jungen Konvertiten haben (S. 64).
Das Buch ist gut geschrieben und lesenswert. Ich habe es als menschlich sympathisch empfunden, auch die Ehrlichkeit der Autorin, mit der sie auf ihre Vorurteile eingeht und wie sie ihre Meinung in manchen Punkten geändert hat. Cornelia Filter beschreibt die Lebensgeschichten und die Gründe für die Hinwendung zum Islam als gute Zuhörerin und Beobachterin. Das Buch enthält im Wesentlichen Berichte über und Interviews mit neun Konvertiten und Freunden aus ihrem Umfeld, die ebenfalls konvertiert sind. Unter anderem spricht Filter mit drei konvertierten Studentinnen an der Universität Mainz, dem Sufimeister Hassan Peter Dyck, Gründer der „Osmanischen Herberge“ in Sötenich bei Kall in der Nordeifel, und dem ehemaligen Bochumer Profiboxer Pierre Vogel alias Abu Hamza sowie weiteren Konvertiten aus seinem Umfeld, die einen salafitischen Islam mit seinen besonders strengen Regeln vertreten.
In der Zusammenfassung ihrer Beobachtungen weist Filter auf die vielfältigen Konversionsmotive hin: Abenteuerlust, Faszinosum Orient, Sehnsucht nach Religiosität und Spiritualität in einer säkularen, materialistischen Welt, Sehnsucht nach festen Regeln und klaren Strukturen in einer chaotischen Welt, Wunsch nach Gerechtigkeit in einer rücksichtslosen Welt, Antikapitalismus, Schönheit des Korans, Geborgenheit in einer Glaubensgemeinschaft und Schutz vor Sexismus durch den Schleier. Häufig spielten Begegnungen mit glaubwürdigen Muslimen eine bedeutende Rolle. Bei vielen sei die Hinwendung zum Islam zudem oft mit negativen Erfahrungen mit der Kirche verbunden gewesen. Ob sich jedoch alle Konvertiten ausreichend bewusst sind, dass es zwar leicht ist, zum Islam zu konvertieren, aber nicht gestattet ist und auch gefährlich sein kann, ihn wieder zu verlassen, kann bezweifelt werden.
Cornelia Filter zitiert auch die Leipziger Religions- und Kultursoziologin Monika Wohlrab-Sahr (S. 254), die ihre Habilitationsarbeit über das Thema Konversion zum Islam in Deutschland und in USA schrieb. Nach Wohlrab-Sahr haben die Konversionen vor allem sozialpsychologische Gründe. Die Konvertiten beabsichtigen mit ihrem Übertritt zum Islam „die größtmögliche Distanz“ zum eigenen gesellschaftlichen Kontext zu schaffen. Diese Aussagen decken sich im Wesentlichen mit den Beobachtungen von Kate Zebiri von der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London im Bezug auf die britischen Konvertiten zum Islam (2008). Sie weist darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Konvertiten dies aus Enttäuschung über die westliche Gesellschaft oder sozialem Protest tut.1
Kate Zibiri, British Muslim converts: Choosing alternative lives, Oxford: Oneworld 2008. ↩