Schiiten befürwortenund Sunniten beurteilen dies unterschiedlich
Von dem Rechtsgutachter Yasser Al-Habib, einem schiitischen Rechtsgelehrten und Verkündiger des Islam und einem der heute bekanntesten Kritiker des sunnitischen Islam. Wegen dieser Kritik wurde ihm im Jahr 2010 vom kuwaitischen Staat seine Staatsangehörigkeit aberkannt. Momentan lebt er in London und leitet u. a. die „Die Organisation der Diener des Mahdi“ [arab. Khuddam al-Mahdi]
(Institut für Islamfragen, dh, 15.03.2012)
Frage:
„Darf ein Muslim einen Ehevertrag im Rahmen der [zeitlich begrenzten] ‚Genussehe‘ schließen?“
Antwort:
„Mein Kommentar zu der trivialen, dummen und typischen Frage, die die Wahhabiten und die Feinde den Schiiten der Familie des Hauses [arab. Ahl al-Bait] stellen, weil diese denken, dass sie mit dieser Frage die Schiiten in Verlegenheit bringen würden. Diese Frage lautet: ‚Würdest Du mich mit deiner Schwester einen ‚Genussehevertrag‘ schließen lassen?‘
Die Lehre besagt, die Antwort auf die Frage müsste folgendermaßen lauten:
1. Du erwiderst dem Fragenden: ‚Du Unwissender, ich verfüge nicht über eine Vollmacht über meine Schwester, so dass ich Dir erlauben könnte, mit ihr einen ‚Genussehevertrag‘ zu schließen.‘ Denn die Vollmacht über die Schwester in solchen Angelegenheiten ist lediglich bei Euch [den sunnitischen Muslimen] erlaubt. Bei uns [den Schiiten] haben nur der Vater oder der Großvater einer Frau die Vollmacht, sie an einen Mann zu verheiraten. Weder ein Bruder noch ein Sohn darf in dieser Angelegenheit eine Vollmacht besitzen.
2. Du musst dem [sunnitischen] Fragenden antworten: ‚Du möchtest mich die Lehre zur ‚Genussehe‘ verleugnen lassen, einfach, weil Du dies für scheußlich hältst. Beruht Deine Haltung auf einer Lehre des islamischen Gesetzes oder lediglich auf der eigenen Meinung? Du hältst die ‚Genussehe‘ für scheußlich, andere sind aber nicht dieser Meinung. Du möchtest mich in die Ecke treiben, indem Du mir sagst: ‚Du glaubst an die Legalität der ‚Genussehe‘, deswegen lass mich deine Schwester oder Tochter nach diesem Prinzip heiraten.’ Du musst dem Fragenden mit einer Gegenfrage antworten: ‚Was denkst Du, ist die Heirat mit dem Willen zur späteren Scheidung [islamisch] legal oder illegal?’ Er kann Dir nicht mit ‚illegal‘ antworten.
Es ist ein Konsens unter ihren Rechtsgelehrten, sprich unter den Wahhabiten, Salafiten usw., dass [auch] die Heirat mit dem Willen zur späteren Scheidung legal ist. Nun, was bedeutet die Heirat mit dem Willen zu späteren Scheidung? Dies bedeutet, Du sagst jemandem ‚lass mich Deine Schwester für eine Nacht heiraten. Am nächsten Tag lasse ich mich von ihr scheiden’.
Du fragst ihm: ‚Möchtest Du, dass ich auf diese Weise Deine Schwester heirate?’ Er wird antworten: ‚Nein, ich erlaube dies nicht’. In diesem Fall sagst Du ihm: ‚Denn musst Du diese Art Ehe verleugnen’. Er wird antworten: ‚Nein, ich kann diese Art Ehe nicht verleugnen, denn sie ist islamisch erlaubt.’ Du antwortest in diesem Fall: ‚Das gilt für mich genauso.’
Also, nicht alles, was man nach eigener Meinung ablehnt, ist illegal. Z. B. würden alle Frauen heutzutage sagen, und zwar alle Frauen ohne Ausnahme, wenn man sie fragen würde: ‚Würdest Du deinem Mann erlauben, eine zweite Frau zu sich zu nehmen?’, mit ‚Nein’ antworten. Frauen halten dies für scheußlich, sie mögen es nicht. Würde diese Tatsache nun heißen, die Legalität der permanenten Heirat mit 4 Frauen müsse deswegen abgeschafft werden? Müssten wir diese Vorschrift (Sure 4,3) abschaffen, genau wie der abtrünnige Machthaber Tunesiens [Ben Ali] sie abgeschafft hat? Dieser Tunesier hat die Heirat mit vier Frauen für verboten erklärt. Ein Mann darf [dort] stattdessen lediglich mit einer Frau verheiratet sein. Als ob Tunesien kein islamisches Land wäre. Die Bestimmung ist nicht von Menschen, sondern von Allah – er sei gepriesen – erlassen worden.
Was ist der Unterschied zwischen der ‚Genussehe‘ und der Ehe mit dem Willen zur späteren Scheidung? Beide dienen der sexuellen Befriedigung. Der einzige Unterschied zwischen diesen zwei Eheformen ist, dass die erste ab einem bestimmten Datum ungültig wird, während die zweite mit einer Ehescheidung ungültig wird.
3. [Die Antwort soll weiter lauten]: ‚Falls Du die ‚Genussehe‘ für scheußlich hältst – Allahs Prophet hat sie nicht für scheußlich gehalten.’ Das wird von ihnen [den Sunniten] zugestanden. Allahs Prophet erlaubte und genehmigte die ‚Genussehe‘, obwohl sie [die Sunniten] später eine erfundene Überlieferung [sie wurde Muhammad zugeschrieben] hervorgebracht haben. Darin wurde gesagt, dass Allahs Prophet die ‚Genussehe‘ für verboten erklärt hat.
Wäre die Lehre zur ‚Genussehe‘ grundsätzlich von Allah für illegal erklärt worden, hätten Allah und sein Prophet sie nicht erlaubt. Ansonsten, warum hätte Allahs Prophet – Allahs Segen sei auf ihm und seinen Anhängern – die ‚Genussehe‘ für erlaubt erklärt? Wollte er [Muhammad] etwa nicht die Würde der muslimischen Frauen bewahren? Nun, warum hat er [Muhammad] seinen Weggefährten erlaubt, mit Musliminnen ‚Genusseheverträge‘ zu schließen und diese Frauen sogar gegen eine Handvoll Datteln zu genießen? Ein Mann konnte einer Frau eine Handvoll Datteln geben, um sie damit sexuell genießen zu dürfen.
Falls Du sagen würdest, die ‚Genussehe‘ sei Prostitution, würdest Du in diesem Fall die Prostitution Allahs Propheten – Allahs Segen sei auf ihm und seinen Anhängern – zuschreiben. Diese Bezeichnung würde bedeuten, er [Muhammad] habe die Prostitution legalisiert. Falls Du die ‚Genussehe‘ für scheußlich hältst, würdest Du damit die Scheußlichkeit von Allahs Propheten – Allahs Segen sei auf ihm und seinen Anhängern – zuschreiben. Dies würde bedeuten – Allah möge uns davor bewahren – dass Allahs Prophet die Scheußlichkeit legalisiert habe. Die ‚Genussehe‘ wird im Koran erwähnt: ‚Und gebt denen, die ihr genossen habt, ihre Brautgabe‘ (Koranvers 4, 24).“
Quelle: www.youtube.com/watch?v=Ob7EMniEHiM