Religionsfreiheit nach ägyptischer Definition

Institut für Islamfragen

Präsident Mursi über „Glaubensfreiheit“ und Konversion gemäß Schariarecht

(Institut für Islamfragen, es, 31.08.2012) Der amtierende Staatspräsident Ägyptens, Mohammed Mursi, ging vor der Wahl in einem Interview für Al-Nahar TV u. a. auf seine Ansichten zum Thema Glaubensfreiheit ein. Von einem Zuschauer gefragt, ob er Konversionen für rechtmäßig halte, sagte Mursi:

„Niemand darf gezwungen werden, an eine bestimmte Religion zu glauben. […] Solange der Apostat seinen Glaubenswechsel für sich behält, anstatt durch öffentliches Kundtun zur Gefahr für die Gesellschaft zu werden, sollte er nicht nach islamischem Recht bestraft werden. […] Wer aber seine Abtrünnigkeit öffentlich macht und andere auffordert, sich ihm anzuschließen, wird zur Gefahr für die Gesellschaft […]. [Dann] greifen das Gesetz und die Scharia ein.“

Gleichzeitig betonte Mursi, dass „die Kopten, unsere Brüder“, ihrem Glauben ungehindert nachgehen könnten und der Staat sich nicht in den Bau von Gotteshäusern jeglicher Glaubensrichtungen einmische.

Quelle: Middle East Media Research Institute; www.memri.org/report/en/0/0/0/0/0/0/6586.htm

Kommentar: So tolerant diese Äußerung Mursis über ein Verbot des Zwangs in Glaubensfragen im ersten Moment klingen mag, so sehr hat er damit echter Religionsfreiheit eine Absage erteilt. Religionsfreiheit meint nach Maßgabe der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948 gerade nicht, tief im Innern etwas für wahr oder falsch zu halten und niemals darüber zu sprechen, sondern gerade, dieser Überzeugung auch nach außen hin – z. B. durch Gottesdienstbesuche – Ausdruck verleihen zu können (Art. 18). Mursis Äußerung dürfte aufgrund seines ausdrücklichen Bezugs auf die Scharia wohl genau das meinen, was innerhalb der Muslimbruderschaft Ägyptens von so berühmten Theologen wie Yusuf al-Qaradawi (geb. 1926), dem heute wohl einflussreichsten sunnitischen Theologen überhaupt, wiederholt formuliert wurde, nämlich, dass über einen Apostaten, der über seinen Glaubenswechsel offen spricht, nach Schariarecht die Todesstrafe verhängt werden muss. Das widerspricht nicht Mursis vermeintlich großzügig gewährter Erlaubnis der Glaubensfreiheit für Kopten, sind sie doch keine Konvertiten und nach islamischem Recht geduldet, aber nicht zur Konversion zum Islam verpflichtet.