Tunesiens Problem mit dem Jihadismus nimmt wieder zu: 600 Ausreisende in den letzten 3 Monaten

Institut für Islamfragen

Säkular ausgerichtete Regierung gewählt – gleichzeitig kämpfen mindestens 5.000 Tunesier in Syrien und Irak

(Institut für Islamfragen, cs, 13.12.2014) Wie Hazem Al Amin in der Online-Zeitung Now am 28.10.2014 berichtet, ist die Zahl der Jihadkämpfer aus Tunesien, die gegenwärtig nach Syrien und in den Irak ausreisen, um dort entweder für den IS (den Islamischen Staat), für die Nusra-Front (verbunden mit al-Qaida) oder die Gruppierung Ahrar as-Sham (etwa: „Die Freien der Levante“) zu kämpfen, zwar zurückgegangen; der Strom der Ausreisenden hält jedoch weiterhin an. Derzeit nimmt er sogar wieder zu. Die offiziell genannte Zahl von gegenwärtig 5.000 tunesischen Kämpfern halten manche Landeskenner daher für viel zu niedrig angesetzt; etwa 2.000 Tunesier sollen bereits bei den Kämpfen umgekommen sein.

Die Kämpfer stammen bemerkenswerterweise vor allem aus der Mittelschicht; etliche sind erfolgreiche Studenten mit guten Berufsaussichten, die kurz vor dem Abschluss die Universität verlassen, um sich nach wenigen Monaten einer intensiven Hinwendung zum Islam plötzlich den radikalen Kämpfern anzuschließen. Laut Hazem Al Amin gäbe es aufgrund von 150 erfassten Biographien von Jihadkämpfern Anlass zu der Annahme, dass der Zusammenbruch der Wirtschaft, die gewaltigen Umbrüche in Gesellschaft und Erziehungswesen und der Mangel an Werten seit den Arabischen Revolutionen mit schuld an der Misere seien. Auch ließe sich in vielen Biographien ein enges Verhältnis des Jihadkämpfers zu seiner Mutter und eine Entfremdung von seinem Vater feststellen.

Um das Phänomen einzudämmen, verfügte Tunesiens Regierung zunächst, dass diejenigen, die in die Türkei (und damit höchstwahrscheinlich weiter nach Syrien und den Irak) reisen wollten, nur bei Vorlage der Erlaubnis ihrer Familien ein Visum erhielten; dies umgingen Ausreisewillige, indem sie zunächst entweder nach Libyen oder nach Marokko reisten und von dort in die Türkei. Während betroffene Familien den Computerzugang ihrer Söhne als Hauptquelle der Gefahr für eine Radikalisierung und Rekrutierung ausmachen, benennen Sicherheitsexperten an erster Stelle die persönliche Beziehung zwischen einer religiösen Autorität (wie einem Sheikh) und seinem Schüler, die das effektivste Mittel für die Überzeugung eines neuen Jihadkämpfers sei. Moscheen und Universitäten würden auf solche Schüler-Lehrer-Verhältnisse hin streng überwacht, denn wenn es einem Sheikh gelänge, einem jungen Menschen aufgrund jugendlicher Verfehlungen massive Schuldgefühle einzureden, sei der Weg bis zu seiner Überzeugung, dass nur der ehrenvolle Märtyrertod auf dem Schlachtfeld diese Sünden wieder abwaschen könne, oft nur noch kurz.

Quelle: now.mmedia.me/lb/en/commentaryanalysis/564316-tunisias-jihadists-sons-of-a-nation-in-transition, 28.10.2014