Rechtsgutachter: Abdul-Aziz bin Baz [Bin Baz war ein einflußreicher islamischer Gelehrter, Richter, stellvertretender Direktor der Islamischen Universität von Medina und bis zu seinem Tod 1999 Großmufti Saudi-Arabiens. Er war Minister für Religiöse Studien, Vorsitzender des Ständigen Komitees für Rechtsfragen und trat für eine grundlegende Islamisierung der saudischen Gesellschaft ein. Er war Vorsitzender des Gründungsvorstands der Islamischen Weltliga und Vorsitzender des Zentrums für Fiqh (islamische Rechtswissenschaft). 1982 wurde ihm der King Faisal-Preis für seine Dienste für den Islam verliehen. Bis heute gilt er in den meisten islamisch geprägten Ländern als einer der prominentesten Rechtsgelehrten unserer Zeit. Seine Verlautbarungen haben nach wie vor großen Einfluss, vor allem unter sunnitischen Muslimen.]
Frage: Einige Muslime verreisen ins Ausland, etwa, um zu studieren. Dürfen sie heiraten, mit der [geheimen] Absicht, sich später scheiden zu lassen? Was ist der Unterschied zwischen dieser Heirat und der Genusssehe?
Bin Baz:
„Die Heirat im Ausland bringt große Gefahren und Schäden mit sich. Das Verreisen ins Ausland darf nur unter strengen Bedingungen stattfinden. Denn es kann zum Unglauben führen, zu Sünden wie dem Trinken von Alkohol, unehelichem Sex u.a.m. Deshalb verboten die islamischen Gelehrten das Verreisen in die Länder der Ungläubigen anhand der Aussage des Propheten [Muhammads] – Allahs Segen und Heil seien auf ihm: ‚Ich habe nichts mit demjenigen gemein, der unter Polytheisten lebt.‘
Die Frage zur Heirat mit der Absicht einer späteren Scheidung ist ein Streitthema under den islamischen Gelehrten. Einige von ihnen erklärten sie für verboten, wie al-Ausa’i und eine Gruppe von islamischen Gelehrten. Sie sahen diese Art Ehe als das Gleiche an wie die [auf eine bestimmte Zeit begrenzte] Genussehe. Deshalb lehnten sie es ab, dass man mit der Absicht heiratet, sich später scheiden zu lassen.
Die Mehrheit der islamischen Gelehrten, wie der verstorbene al-Muwaffaq bin Qudama in seinem Werk ‚al-Muqni‘ – Allahe möge ihm Gnade schenken – beurteilten diese Art Ehe als erlaubt, wenn die Absicht zur späteren Scheidung lediglich ein Geheimnis zwischen dem Ehewilligen und Allah sei und [die Eheschließung] ohne zuvor geäußerte Bedingungen geschähe. Wenn z. B. jemand wegen seines Studiums oder anderer Anliegen verreist und dabei zu sündigen fürchtet, darf er heiraten, selbst wenn er dabei die Absicht hat, sich von seiner Frau zu einem späteren Zeitpunkt scheiden zu lassen, wenn sein Ziel dort [in dem betreffenden Land] bereits erreicht ist.
Diese [zweite Auffassung] ist wahrscheinlicher [wahrscheinlich zutreffender als die erste Auffassung] solange dies [die Absicht zu späteren Scheidung] lediglich zwischen dem Ehewilligen und seinem Gott bleibt, er ohne Bedingungen [die Ehe eingeht], ohne die Ehefrau oder ihren Vormund darüber zu informieren, sondern [die Angelegenheit] lediglich zwischen ihm [dem Ehemann] und seinem Gott bleibt.“
Quelle: http://www.binbaz.org.sa/fatawa/1712