Rezension: Christen und Muslime: So nah, und doch so fremd

Dr. Dietrich Kuhl

Hartmut Frische. Christen und Muslime: So nah, und doch so fremd. Nürnberg: VTR, 2016. ISBN 978-3-95776-054-8. 266 Seiten. 17,80 €.

Hartmut Frische (Jg. 1946) studierte Theologie in Bethel, Heidelberg und Bonn. Er arbeitete als Pfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen und von 1993–1996 als theologischer Referent der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste (AMD). Seit 2008 ist er Mitglied des Instituts für Islamfragen der Evangelischen Allianz in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Frische bewegten beim Schreiben des Buches die Fragen: Wie werden sich in Zukunft die Staaten Europas und Nordamerikas und die sie mitverantwortenden Christen zum Islam verhalten? Wo haben wir Platz zu machen – räumlich, damit Menschen eine Unterkunft finden, in der Arbeitswelt, damit Menschen in Arbeit und Brot kommen, dann auch jeder Einzelne in seinem täglichen Leben, in seinem Herzen und in seinem Kopf? Drängende Fragen, denen Hartmut Frische engagiert, umsichtig und mit offenem Herzen nachgeht.

Die ersten Kapitel beschäftigen sich mit wichtigen persönlichen Fragen, denen sich deutsche Leser stellen sollten: Wie kann ich Muslimen mit einem überzeugten Glauben echt begegnen, wenn die Frage nach Gott für mich kaum eine Rolle spielt? Bin ich bereit, zu einer toleranten Gesellschaft „Ja“ zu sagen und Gastfreundschaft zu wagen? Ist meine Haltung dem Islam gegenüber von Lessings „Nathan der Weise“ und der Postmoderne geprägt? Reicht das für einen vertieften Dialog mit Muslimen? Fazit: Es geht darum, die religiösen Gefühle anderer Menschen zu achten.

In den folgenden Kapiteln geht Frische kenntnisreich und viele Quellen zitierend auf grundsätzliche Aspekte eines vertieften Dialogs ein: Wie verstehen Christen den dreieinigen Gott und Muslime die Einsheit Allahs? Ist Abraham als Vater des Glaubens eine gemeinsame Basis für Christen und Muslime? Können Christen Muhammad als wahren Propheten anerkennen? Oder kann nur einer von beiden, Jesus oder Muhammad, wahrer Prophet sein? Wie versteht die Bibel die Gemeinde Jesu, und wie versteht der Koran die muslimische „umma“? Was bedeutet es, nach der Scharia zu leben? Was ist der Unterschied zur Nachfolge Jesu? Wie ist das Frauen- und Männerbild im Christentum und im Islam? Was ist der Unterschied zwischen christlicher Mission und islamischer Da’wa? Was ist streitbarer Glaube im Namen Jesu und Dschihad in der Gefolgschaft Muhammads? Können Bibel und Koran beide wahr sein? Wie verstehen Christentum und Islam Martyrium?

Frische beschreibt, wie Bilder und Fernsehberichte, in denen sich lange Reihen von muslimischen Männern zum Gebet tief vor ihrem Gott beugen und mit dem Kopf den Boden berühren, deutsche Zuschauer faszinieren und herausfordern können. Frische geht bei Frage nach der Gottesvorstellung auf formale Ähnlichkeiten und grundsätzliche Unterschiede ein. Er lässt den Koran sprechen. Er erklärt das biblische Verständnis davon, dass Gott in Jesus zum Menschen kommt und sich auf Lebensgeschichten von Menschen einlässt. Allah aber sei letztlich eine unpersönliche und unverstehbare Macht, der sich Muslime ergeben und unterwerfen müssen (S. 75–86).

Hartmut Frische schreibt als engagierter Christ, der sich viel mit dem Islam beschäftigt hat. Davon zeugen seine 464 Fußnoten, sein vierseitiges Literaturverzeichnis und die 73 zitierten Koranstellen. Bei der Besprechung islamischer Themen zitiert er in der Regel Koranstellen, muslimische (teils islamkritische) Autoren (wie z.B. Navid Kermani, Mehdi Bazargan, Ali Dashti, Necla Kelek, Mouhanad Khorchide, Ayan Hirsi Ali und Hamed Abdel-Samad), ehemalige Muslime (wie z.B. Nassim Ben Iman, Mark Gabriel) oder Islamwissenschaftler (wie z.B. T. Nagel, R. Breuer, J. Bouman, A. Neuwirth, Ch. Schirrmacher, A. Schimmel, S. Raeder, E. Troeger). Bei kritischen Themen lässt Frische unterschiedliche Autoren zu Wort kommen.

Frische beendet sein freundschaftlich geschriebenes, aber klar Position beziehendes Buch mit einer Betrachtung der paulinischen Aussagen über die Liebe in 1. Korinther 13. Er zitiert Karl Barths Beschreibung von 1. Korinther 13 als „Nachglanz der Auferweckung Jesu Christi von den Toten und Vorglanz der kommenden allgemeinen Auferstehung“. Was aus der Liebe heraus geschieht, habe in der zukünftigen, vollendeten Welt Gottes Bestand. Der Dialog, den Christen mit Muslimen führen, müsste in diesem Licht der Liebe geschehen und von diesem Licht der Liebe durchflutet sein. Dem kann man nur zustimmen.