Arabische Stimmen gegen das islamisch begründete Adoptionsverbot

Institut für Islamfragen

Seit dem Irakkrieg 2003 hat sich die Zahl obdachloser und verwaister Kinder vervielfacht – Adoptionen sind dennoch unmöglich

(Institut für Islamfragen, dh, 03.10.2019) Die arabische Internetplattform alarab.co.uk veröffentlichte am 10.03.2018 folgenden Artikel unter der Überschrift „Die Adoption – das [staatliche] Gesetz unterstützt das religiös [begründete] Verbot [der Adoption] gegen die Menschlichkeit“:

„Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern ist das tunesische Gesetz ein Lichtblick in der arabischen Welt, wo die Adoption mit Verweis auf das Schariagesetz verboten ist. …

Tunesien ist das erste und einzige arabische Land, das die Adoption seit 1958 gesetzlich erlaubt hat.

Die Ministerin für Familien, Frauen und Kinder, Nasiha al-‚Ubaidi, teilte nun mit, dass ihr Ministerium anstrebe, Adoptionsverfahren zu beschleunigen. Denn etwa 900 Kinder, die außerhalb einer Ehe geboren wurden, warten [in Tunesien] darauf, adoptiert zu werden.

Die vorhandenen Statistiken zeigen, dass sich die Anträge auf Adoption eines Kindes beim Nationalen Institut für den Schutz von Kindern, das dem Ministerium für soziale Angelegenheiten angehört, jährlich verdoppeln. Im Jahr 2016 erreichten das Nationale Institut über 800 Anträge auf Adoption.

Einigen der Antragsteller kann eine Adoption [allerdings auch] verweigert werden, wenn sie die Bedingungen nicht erfüllen, die vom Gesetz vorgeschrieben sind.

Der Delegierte für den Schutz von Kindern, Mihiar Hamadi, erklärte, die Adoption erfolge nicht automatisch, nachdem ein Antrag dazu beim Institut eingereicht werde. Vielmehr werde der Antrag von einem Komitee geprüft, das sich auch nach der beantragenden Familie erkundige. Er wies drauf hin, dass das Komitee für Adoption und Bürgschaft im Jahr 2014 über 370 Anträge abgelehnt habe.

Das Adoptivkind soll in eine normale Familie integriert werden. Es erhält einen neuen Vornamen und den Familiennamen [der Adoptivfamilie] in seinen Personaldokumenten vermerkt. Eine Kopie seiner ursprünglichen Geburtsurkunde wird aufbewahrt, falls es später nach seiner leiblichen Familie auf die Suche gehen möchte.

Ein Adoptivkind leidet heute laut Berichten, die alarab.co.uk vorliegen, meist unter massiver Diskriminierung, wenn die Menschen in seiner Umgebung außerhalb seiner Familie von der Tatsache [seiner Adoption] erfahren. Das ist bedauerlich. Diese Familien [deren Berichte darüber vorliegen] hoffen auf [baldige] Beseitigung dieser Problematik.

So hat etwa Frau Nadja in einem relativ späten Alter geheiratet. Sie bekam kein Kind, was sie sich ihr ganzes Leben gewünscht hatte. Sie weinte häufig, bis sie sich entschied, eine Tochter zu adoptieren. Dann stellt sie einen Antrag darauf und einige Monate später konnte sie ein einjähriges Kind übernehmen. Dieses Kind bedeutete ihr alles im Leben. Sie sagte, dass es für sie kostbarer sei als ein leibliches Kind, denn es sei ihr Kind.

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[In den übrigen islamischen Gesellschaften ist das so nicht möglich.] Und zwar aufgrund des Argumentes ‚Dies [die Adoption] sei islamisch verboten (arab. haram)‘. Andererseits ist dort erlaubt … (arab. halal), minderjährige Mädchen gegen ein Brautgeld zu heiraten, das ihren Familien in den [Flüchtlings-]camps zukommt. Es ist bedauerlich, dass unser Verständnis von erlaubt und verboten so absurd ist. Es beruht auf Ansichten, die nichts mit Moral und menschlichen Werten zu tun haben.

2,5 Millionen Waisenkinder im Irak dürfen nicht adoptiert werden:

Vor dem Krieg in Syrien zum Beispiel gab es keine Studien über das Schicksal obdachloser, unehelicher verwaister Kinder oder über die Gefahr, die sie [angeblich] für die Gesellschaft darstellen. Wie wird denn die Lage heute, nach 7 Jahren eines blutigen Krieges, aussehen?

Das syrische Gesetz verbietet die Adoption. Die einzige Ausnahme ist das Personengesetz für Katholiken, das Gesetz Nr. 33 aus dem Jahr 2006. Nach dem Bürgschaftsrecht (arab. kafala), das das Schariarecht erlaubt, behält der ‚Ausgesetzte‘, wie es in diesem Gesetz heißt, seinen Namen. Er darf nicht den Familiennamen seiner Adoptivfamilie annehmen. Die gesellschaftliche Ächtung solcher Kinder ist ein wahres Leid, was den Kindern selbst viel Schaden zufügt.

In Ägypten dürfen alle Bürger grundsätzlich nicht adoptieren. Das Allgemeine Personenstandsgesetz für Christen hat das Adoptionsrecht, das im christlichen Personenstandsgesetz erlaubt ist, für verboten erklärt. Dies geschah nach dem Willen des ägyptischen Staates, der die Adoption als islamisch unerlaubt ansieht. Die Entfernung des ‚Adoptionsparagraphen‘ aus dem Personenstandsgesetz für Christen geschah, um der Konfrontation mit dem Staat aus dem Wege zu gehen.

Laut Statistik gibt es im Irak rund 2,5 Millionen Waisenkinder. Jedoch wiesen internationale Statistiken von Ende 2011 darauf hin, dass die Zahl dieser Kinder wohl etwa 5 Millionen beträgt. Das sind etwa 16% der Iraker.

Seit dem Jahr 2003 wird das Problem obdachloser und verwaister Kinder [im Irak] immer größer. Das Ministerium für Menschenrechte veröffentlichte 2011 einen Bericht, nach dem der Irak die meisten Waisenkinder in der arabischen Welt habe. Das irakische Gesetz verbietet [jede Art von] Adoption. Ausnahmen davon gibt es kaum und sie sind sehr komplizierten Verfahren verbunden. …

Die [islamisch erlaubte] Bürgschaft (arab. kafala) bedeutet Vormundschaft für eine bedürftige Person, sei es wegen Armut oder weil die Person Waise ist. Der Bürge (arab. kafil) versorgt denjenigen, für den er bürgt, mit Nahrung, Kleidung und manchmal auch mit Unterkunft. Die Unterkunft ist meistens ein Waisenheim oder spezielle Einrichtungen für Waisenkinder. Die finanzielle Unterstützung kann mit emotionaler Unterstützung verbunden werden. Zum Beispiel wird das Waisenkind auf Ausflügen oder zu Feiern mitgenommen. Meistens allerdings beschränkt sich die Bürgschaft auf eine finanzielle Beziehung zwischen dem Bürger und dem Waisenheim.

Malak betont: ‚Die Bürgschaft garantiert dem Waisenkind seine materiellen Bedürfnisse. Aber die Adoption gibt ihm eine Familie.‘“

Quelle: https://alarab.co.uk/%D8%A7%D9%84%D8%AA%D8%A8%D9%86%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D9%82%D8%A7%D9%86%D9%88%D9%86-%D9%81%D9%8A-%D8%B5%D9%81-%D8%A7%D9%84%D8%AA%D8%AD%D8%B1%D9%8A%D9%85-%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%8A%D9%86%D9%8A-%D8%B6%D8%AF-%D8%A7%D9%84%D9%88%D8%A7%D8%AC%D8%A8-%D8%A7%D9%84%D8%A5%D9%86%D8%B3%D8%A7%D9%86%D9%8A