Rechtsgutachten bezüglich Aischas Alter zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit Muhammad

Institut für Islamfragen

Rechtsgutachter(-Gremium): https://islamqa.info (eine salafistisch ausgerichtete mehrsprachige Daʿwa-Website unter der Leitung des saudischen Gelehrten und Predigers Muhammad Sālih al-Munajjid)

Datum des Rechtsgutachtens: 28.04.2009
Nummer des Rechtsgutachtens: 122.534

(Institut für Islamfragen, dh, 11.06.2019)

Frage:

„In einer Zeitung habe ich die Überschrift gelesen: ‚Ein junger Journalist korrigiert für die prominenten, muslimischen Geistlichen einen 1000 Jahre alten Fehler!‘. Der Inhalt dieses Artikels kann in den folgenden 3 Punkten zusammengefasst werden:

  1. Dass der Prophet Muhammad, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, sich mit Aischa verlobt habe, als sie sechs Jahre alt war und mit ihr die Ehe vollzogen habe, als sie neun Jahre alt wurde, sei ein Fehler, der im Sahīh al-Bukhārī [der bekanntesten Hadith-Sammlung] vorgekommen sei. Denn da sei ihr Alter falsch berechnet worden.
  2. Die historischen Quellen würden darauf hinweisen (wie der Autor des Artikels behauptet), dass das Alter von Aischa, als der Prophet sie geheiratet hat, 18 Jahre und nicht neun Jahre gewesen sei.
  3. Dieser o.g. Fehler entging allen muslimischen Geistlichen und wurde erst von diesem Journalisten entdeckt.

Ich bitte Sie darum, den Sachverhalt für alle Muslime aufzuklären und die rechtmäßige Sicht in dieser Frage darzulegen.“

Antwort:

„In den authentischen Überlieferungen [arab. Ahādīth Sahīha] steht, dass sich Allahs Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, mit Aischa verlobt hat, als sie sechs Jahre alt war, und die Ehe mit ihr vollzogen hat, als sie neun Jahre alt wurde. Im Folgenden einige dieser Überlieferungen:

Aischa, Allahs Wohlgefallen sei auf ihr, sagte: ‚Allahs Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, heiratete mich, als ich sechs Jahre alt war. Als wir nach Medina gingen und im Haus von Hārith bin Khazraj wohnten, bekam ich Fieber. Meine Mutter, Umm Rūmān, kam auf mich zu, als ich zusammen mit meinen Freunden auf einer Schaukel spielte. Sie rief mich und ich ging zu ihr, ohne zu wissen, worauf sie hinauswollte. Sie zog mich an der Hand, bis wir an der Haustür standen und ich außer Atem war. Sie nahm ein bisschen Wasser und wusch mein Gesicht und meinen Kopf damit. Danach nahm sie mich mit ins Haus. Einige Frauen der al-Ansār befanden sich darin. Diese sagten: „Alles möge gut und gesegnet “. Sie [Aischas Mutter] überließ mich ihnen. Sie machten mich schön. Morgens übergab sie [Aischas Mutter] mich Allahs Gesandten, Allahs Segen und Heil seien auf ihm. Ich war damals neun Jahre alt war.‘ (Aus Sahīh al-Bukhārī, Nr. 3894, und Sahīh Muslim, Nr. 1422)

Sie (Aischa), Allahs Wohlgefallen sei auf ihr, teilte auch mit: ‚Ich spielte mit den Mädchen im Hause des Propheten […] Als der Prophet das Haus betrat, versteckten sich die Mädchen vor ihm. Diese Mädchen wurden [regelmäßig] zu mir gebracht und ich spielte mit ihnen.‘ (Sahīh al-Bukhārī, Nr. 7130 und Sahīh Muslim, Nr. 2440)

Abū Dāwūd (Nr. 4932) überlieferte von Aischa, Allahs Wohlgefallen sei auf ihr: ‚Allahs Gesandter, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, kehrte zurück von der Eroberung Tabūks oder Khaibars. Da wehte ein Wind und wehte einen Vorhang zur Seite, so dass Puppen von Aischa sichtbar wurden. Er fragte: „Was ist das, Aischa?“ Sie antwortete: „Meine Töchter“. Unter den Puppen sah er ein Pferd mit zwei Flügeln aus Stoff. Er erkundigte sich danach. Sie antwortete: „Ein Pferd“. Er fragte: „Was trägt es auf dem Rücken?“ Sie sagte: „Zwei Flügel“. Er fragte: „Ein Pferd mit zwei Flügeln?“ Sie antwortete: „Hast du nicht erfahren, dass Sulaimān Pferde mit zwei Flügeln hat?“. Sie erzählte: „Er hat so stark gelacht, dass ich seine Backenzähne sah.“‘ (Al-Albānī stufte diese Überlieferung in ‚Ādāb az-Zafāf‘, S. 203, als eine authentische Überlieferung ein.)

Al-Hāfiz sagte: ‚Al-Khattābī sagte: Aischa durfte spielen, weil sie nicht volljährig war.‘ […]

[Die bekannte Hadith-Sammlung] Sahīh Muslim (Nr. 1422) überlieferte von Aischa: ‚Allahs Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, heiratete sie, als sie sieben Jahre alt war. Er hat die Ehe mit ihr vollzogen, als sie neun Jahre alt wurde und ihr Spielzeug dabeihatte. Er starb, als sie 18 Jahre alt wurde.‘

An-Nawawī kommentierte: ‚Mit Spielzeug sind hier die Puppen gemeint, mit denen die jungen Mädchen spielen.‘ […]

In der o.g Überlieferung spricht sie von 7 Jahren. In den meisten Überlieferungen spricht sie von 6 Jahren. Dies liegt daran, dass sie über 6 Jahre alt war. Daher spricht sie manchmal von den Jahren und manchmal von dem (siebten) Jahr, das sie angefangen hat. Das ist der Kommentar von an-Nawawī zu [dieser Überlieferung von] Sahīh Muslim.

Ibn Kathīr, Allah möge ihn begnadigen, erwähnte, dass die muslimischen Geistlichen sich in dieser Frage [des Alters von Aischa] einig sind. Kein einziger von ihnen hat dem widersprochen. Er sagte: ‚Er [Muhammad] hat sie (Aischa) geheiratet, als sie 6 Jahre alt war. Es gibt darüber keine Meinungsverschiedenheit unter den Menschen [gemeint sind die Muslime]. Es wurde in den authentischen Überlieferungen und in weiteren Quellen bewiesen. Er [Muhammad] hat die Ehe mit ihr im zweiten Jahr nach der Auswanderung nach Medina vollzogen.‘ (aus ‚al-Bidāya wa-n-Nihāya‘, Kapitel 3, S. 161)

Es ist selbstverständlich, dass der Konsens der muslimischen Gemeinschaft (arab. ijmāʿ) keine Übereinstimmung bezüglich eines Irrtums sein kann. At-Tirmidhī (Nr. 2167) überlieferte über Ibn Umar, Allahs Wohlgefallen sei auf ihnen: „Allahs Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, sagte: „Meine (muslimische) Gemeinschaft stimmt nicht über einen Irrtum überein!“‘ Diese Überlieferung wurde von al-Albānī in ‚Sahīh al-Jāmi‘, S. 1848, als authentisch bewertet.

Der Autor des oben erwähnten Artikels wurde durch seine Unwissenheit und Parteilichkeit für das Falsche in viele Lügen und Fälschungen verwickelt […]

Z.B. erwähnt er, dass Ibn Kathīr in ‚al-Bidāya wa-n-Nihāya‘ von den frühen [bzw. ersten] Muslimen spricht: ‚Unter diesen Frauen waren Asmāʾ, Tochter von Abū Bakr, und Aischa, die jung war. Diese übernahmen den Islam innerhalb von 3 Jahren.‘

Diese Aussage haben wir in ‚al-Bidāya wa-n-Nihāya‘ nicht gefunden, sondern Ibn Kathīr sagte in 3/25: ‚Einige der ersten freien (nicht versklavten) Männer, die den Islam angenommen haben, waren Abū Bakr as-Sadīq. Von den Knaben: Alī bin Abī Tālib. Von den Frauen: Khadīja bint Khuwailid.‘ Er (Ibn Kathīr) hat da weder Asma‘ noch Aischa erwähnt.

Außerdem wurde Aischa, Allahs Wohlgefallen sei auf ihr, erst etwa vier Jahre nach dem Beginn des Islams geboren.

Zu den Beispielen (für die falschen Behauptungen des Journalisten) zählt auch seine Behauptung, dass alle Quellen ohne Ausnahme erwähnen würden, dass Asmāʾ 10 Jahre älter gewesen sei als Aischa. Das stimmt nicht. Denn adh-Dhahābī erwähnte in ‚Siyar Aʿlām an-Nubalāʾ (3/522), dass Asmāʾ 3–10 Jahre jünger als Aischa gewesen sei […]

Dass Allahs Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, Aischa geheiratet hat, als sie neun Jahre alt war, ist nichts Verwerfliches. Denn es ist bekannt, dass die Frau ihre Geschlechtsreife in unterschiedlichem Altern erreichen kann, je nach dem, aus welcher Rasse sie stammt und in welchem Klima sie sich befindet. Deshalb erreicht die Frau ihre Geschlechtsreife in den heißen Ländern im frühen Alter, während sie sich in den kalten Regionen vielleicht bis zum Alter von 21 Jahren verzögert.

At-Tirmidhī überliefert in 2/409 die Aussage Aischas, Allahs Wohlgefallen sei auf ihr: ‚Wenn das Mädchen das Alter von neun Jahren erreicht, gilt sie als eine Frau.‘“

Quelle: https://islamqa.info/ar/answers/122534/الرد-على-فرية-زواج-النبي-صلى-الله-عليه-وسلم-بعاىشة-ولها-18-سنة

Kommentar (cp): Die hier ausgetragene Kontroverse zwischen dem salafistischen Rechtsgelehrten und den namentlich nicht erwähnten Journalisten um das genaue Alter Aischas ist keine rein theoretische Debatte. In vielen Ländern kämpfen besonders Frauen- und Menschenrechtsbewegungen gegen Kinderheiraten, aber deren Abschaffung ist natürlich besonders dort sehr schwierig, wo keine Rechtsstaatlichkeit existiert, vielfach keine Geburtsurkunden existieren, der Analphabetismus hoch ist (so dass auch Mädchen und Frauen ihre Rechte nicht kennen) und die Armut und die Aussicht auf Brautgeld und eine frühe „Versorgung“ der Braut manche Bedenken hinwegfegt.

In Ländern, die ihr Rechtssystem vollständig auf Scharia-Recht ausgerichtet haben wie Saudi-Arabien oder Iran oder in sehr traditionell islamischen Gesellschaften wie dem Jemen werden die Vorbehalte gegenüber gesetzlichen Festschreibungen eines Mindestalters für eine Eheschließung oft auch religiös mit Berufung auf das als zeitlos gültig verstandene Vorbild Muhammads und den traditionellen Konsens bezüglich Aischas Alter begründet. Im Iran dürfen Mädchen laut Gesetz bereits ab 13, Jungen ab 15 Jahren heiraten, wobei Mädchen vor allem in ländlichen Gebieten oft noch früher verheiratet werden. In Saudi-Arabien bestätigte ein Gericht 2010 sogar die Rechtmäßigkeit einer Zwangsverheiratung eines 8-jährigen Mädchens mit einem 40 Jahre älteren Mann.

In Deutschland ist am 22. Juli 2017 ein Gesetz in Kraft getreten, das Kinder vor zu früher Heirat schützen soll und das Alter der sogenannten Ehemündigkeit im Interesse des Kindeswohls auf 18 Jahre festlegt. Eheschließungen sind demnach nur noch möglich, wenn beide Heiratswillige volljährig sind. Vor diesem Gesetz konnte das Familiengericht Minderjährige, die ihr 16. Lebensjahr vollendet haben, von dem Alterserfordernis einer Eheschließung befreien. Diese Möglichkeit ist mit dem neuen Gesetz entfallen. Siehe hierzu https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/ehemuendig-ab-18-jahren-481606!

Bitte beachten Sie, dass die (auszugsweise) Übersetzung derartiger Rechtsgutachten der Darstellung und kritischen Auseinandersetzung mit Verlautbarungen von islamischen Meinungsführern und einflussreichen rechtswissenschaftlichen Gremien dienen und keineswegs die Meinung der Internetseitenbetreiber wiedergibt.