Islam lokal so unterschiedlich geprägt, dass Buchwissen allein nicht ausreicht
(Institut für Islamfragen, dk, 18.02.2021) Dejan Aždajić analysiert in seiner Dissertation den gelebten Islam bosnischer Sufis und beschreibt insbesondere die prägende Rolle zweier Sufi-Scheichs des Naqshbandiya Ordens unter Muslimen in Sarajewo, Bosnien-Herzegovina.
Obwohl beide Scheichs zum selben Sufi-Orden gehören und in einem ähnlichen traditionellen, kulturellen, sprachlichen und historischen Milieu lebten, habe er dennoch erhebliche Unterschiede in den beiden Gemeinschaften feststellen können. Das zeige die Formbarkeit des Sufismus und die prägende Rolle des jeweiligen Scheichs. Es zeige aber vor allem auch die große Unterschiedlichkeit und Vielfalt unter Muslimen.
Der Islam und auch der Sufismus seien kein monolithisches Gebilde. Es reiche nicht aus, die allgemeinen Aspekte des universalen Islam aus Büchern zu kennen. Es gäbe eine Vielzahl lokaler Formen des Islam. Um den Islam zu verstehen, müsse man Muslime verstehen – wie sie die Welt sehen, welche Werte sie hätten, wie sie ihre muslimische Praxis verstehen und welche Rolle der Islam in ihrem täglichen Leben und Handeln spiele.
Es gäbe jeweils eine große Breite von unterschiedlichen Überzeugungen, lokalen Besonderheiten und unterschiedlichen Betonungen in der Praxis des Glaubens. Im Islam gehe es prinzipiell um vom Islam geprägte Regeln und Moralvorstellungen, ehrenhaftes Verhalten und Identität. Überzeugungen würden stärker durch die islamische Praxis als durch islamische Bekenntnisse geprägt. Deswegen verstehe man den Islam völlig falsch, wenn man ihn primär als dogmatisches, religiöses System mit unveränderlichen Charakteristika und rigiden Ritualen sähe.
Eine Religion bestehe aus Anhängern dieses Glaubens, deswegen müsse man diese Menschen verstehen – besonders auch die subjektiven Aspekte in Bezug auf die einzelnen Gläubigen- wenn man ihre Religion verstehen wolle.
Quelle: Dejan Aždajić. The Shaping Shaikh: The Role of the Shaikh in Lived Islam among Sufis in Bosnia and Herzegovina. Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2020, S. 1–9