Die Beschneidung fordert der Koran nirgends, weder für Jungen noch für Mädchen. Sie ist jedoch in der ganzen islamischen Welt für Jungen obligatorisch, da sie als „sunna“ (nachzuahmendes Vorbild) gilt. Sie ist mit einem Familienfest verbunden, das meist stattfindet, wenn der Junge zwischen sieben und zehn Jahre alt ist. Danach gehört der Junge zur Gesellschaft der Männer und wird die Pflichten der Religion mehr und mehr praktizieren (Gebet, Fasten).
Die Mädchenbeschneidung, die meist zwischen vier und acht Jahren stattfindet, ist zwar in den meisten islamischen Ländern staatlich untersagt, wird jedoch in etlichen Ländern wie Ägypten, Somalia, Sudan, Schwarzafrika, sowie bei den Beduinen der arabischen Halbinsel weithin praktiziert. Der Koran liefert keinen Anhaltspunkt für diese Sitte, einige Überlieferungen empfehlen sie jedoch.
In Ägypten war die Beschneidung seit 1959 verboten, wurde jedoch 1986 wieder offiziell gestattet. Dort wurde die Mädchenbeschneidung schon zur Zeit der Pharaonen durchgeführt. Diese Praxis darf daher nicht als etwas eigentlich Islamisches betrachtet werden. Sie ist vorislamischen Ursprungs, obwohl sie heute in zahlreichen islamischen Ländern des Vorderen Orients und besonders Schwarzafrikas im Namen des Islam praktiziert wird.
Es gibt drei Arten der Beschneidung oder Klitorisdektomie. Die mildeste, d.h. am wenigsten verstümmelnde Form besteht in einer kreisförmigen Beschneidung der Klitorisvorhaut, die der Beschneidung des Jungen ähnelt und „sunnitische“ Beschneidung genannt wird. Diese Form wird hauptsächlich in den „aufgeklärten“ städtischen Kreisen, die sich noch nicht von der Praxis an sich lösen können, praktiziert.
Bei der eigentlichen Beschneidung wird die Klitoriseichel oder sogar die ganze Klitoris entfernt. Diese Form wird vor allem in Ägypten praktiziert. Manchmal kommt noch die Entfernung der an die kleinen Schamlippen angrenzenden Teile, wenn nicht deren gänzliche Ablösung, hinzu.
Der dritte, radikale Typus der Klitorisdektomie, umfaßt die vollständige Entfernung der Klitoris und des Großteils der inneren und äußeren Schamlippen. Dann wird die Scheide mit Schafdarm vernäht, was besonders im Sudan, im tropischen Afrika, in Äthiopien und Somalia praktiziert wird. Man nennt diese Form der Beschneidung die „pharaonische Beschneidung“. Es bleibt nur eine kleine Öffnung, damit der Urin und das Menstruationsblut abfließen können. Ein Holzstöckchen verhindert das Zusammenwachsen. In der Hochzeitsnacht wird diese Öffnung erneut erweitert wie auch bei jeder Niederkunft. Danach wird die Öffnung erneut vernäht, ebenso wie bei einer Verwitwung.
Ohne von dem durch Schmerz und Angst ausgelösten Schock durch die Verstümmelung zu sprechen, hat die Mädchenbeschneidung häufig schwerwiegende Folgen. Neben einer endgültigen Frigidität kommt es oft zu Entzündungen der Harnwege oder der Geschlechtsteile – Ursachen von Aborten oder sogar Sterilität – zu sehr schmerzhafter Menstruation, Zysten, Abszessen oder sogar Krebs. Hinzu kommen schwere Komplikationen bei der Geburt, sowie Blutvergiftungen mit Todesfolge.
Erstaunlicherweise verwerfen nicht alle Frauen der islamischen Welt diese Sitte. Weltweit sollen über 130 Mill. Frauen beschnitten sein. Die Zahlen scheinen nicht zurückzugehen. Gerechtfertigt wird diese Praxis im wesentlichen mit dem Respekt vor angestammten Sitten und Gebräuchen und als Vorbeugung gegen das als bedrohlich empfundene sexuelle (Fehl-)Verhalten der Mädchen: Die Beschneidung soll ihre sexuelle Lust mäßigen. Wenn die Tradition die Beschneidung fordert, führt das dazu, daß ein nicht beschnittenes Mädchen nicht verheiratet werden kann. Die Befürworter fügen hinzu, daß die Operation die Fruchtbarkeit der Frauen fördere. Welche Bedeutung die Mutterschaft im afrikanisch-islamischen Kontext für Frauen wie für Männer hat, ist bekannt.