Prolog
Daß Muhammad die Stellung der Frau des vorislamischen Arabiens verbessert hat, ist wohl als Tatsache anzusehen, obwohl angesichts der teilweise spärlichen Quellenlage teilweise Vermutungen und Schlüsse an die Stelle belegbarer Aussagen treten müssen.
Der Koran berichtet von der Erschaffung von Mann und Frau (7,189; 4,1), ebenso wie vom Paradies, in dem Adam und seine Frau wohnten (7,19ff.) und macht hier zunächst keinen Unterschied zwischen Mann und Frau in Bezug auf Rechte, Pflichten oder etwa eine Höherordnung eines der Geschlechter.
Die Einzelanweisungen über die Rechtsstellung der Frau und ihre Positionierung innerhalb der Familie und Gesellschaft finden sich in zahlreichen Einzelversen mehrerer Suren.
Muslimische Apologeten haben stets hervorgehoben, daß die Frau im Islam rechtlich und in religiöser Hinsicht vor Gott dem Mann gleichgestellt sei. Zwar ist dies Argument im Hinblick auf den „Schöpfungsvers“ nachzuvollziehen, verlangt aber für dessen Bejahung im gesellschaftlichen nahöstlichen Kontext und im kulturellen Verständnis der Geschlechter unbedingt die „islamische Sichtweise“: Aus islamischer Sicht kann das nicht als „Benachteiligung“ definiert werden, was der Koran jedem Geschlecht an Aufgaben und Stellung zuordnet. Von der denkerischen Voraussetzung des Islam als der ‚besten aller Ordnungen‘ sieht die Definition der „Benachteiligung“ anders als in einem säkularen, westlichen Kontext aus:
Gesellschaftliche Stellung
Als Benachteiligung fassen es in der Regel nichtmuslimische, aber selbstverständlich auch viele muslimische Frauen auf, wenn der Koran bekennt, daß die Männer „über den Frauen stehen“ oder, wie eine muslimische Koranübersetzung formuliert, „die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen“ weil Gott „die einen vor den anderen bevorzugt hat“ oder anders übersetzt, weil er „sie [ergänze: vor diesen] ausgezeichnet hat“ (4,34).
Der Korankommentator Ibn Kathir legt diesen Vers aus:
„Männer sind Frauen überlegen, und ein Mann ist besser als eine Frau.“
Viele bedeutende Theologen haben auf Grundlage der Überlieferungen ausgeführt, daß der Mann vollkommener geschaffen wurde als die Frau und ihr überlegen ist von seiner Intelligenz und Religionsausübung (als Richter, Vorbeter) her, von der Dankbarkeit und als Zeugen vor Gericht (Razi, Baidawi, Zamahshari.).
Einige Überlieferungen – darunter auch ein Ausspruch Muhammads – bezeichnen die Frau als „Spielzeug“ oder in einer bekannten Überlieferung auch als krumme „Rippe“, die bricht, wenn man versucht, ihre Gekrümmtheit geradezubiegen.
Sure 4,34 spricht auch davon, daß die Männer „Ausgaben von ihrem Vermögen“ für die Frauen haben, was als Beschreibung für die im Nahen Osten übliche Praxis der Brautgabe, aber auch als Zuweisung der Versorgungsaufgabe für den Mann und damit als Trennung der Lebens- und Aufgabenbereiche in einen äußerhäuslichen und einen häuslichen Bereich (für die Frau) verstanden werden kann, die zumindest in traditionellen Ehen im Nahen Osten unbestritten ist.
Traditionell erhält die Frau keine Berufsausbildung, zumal sich die Frage nach dem Sinn einer solchen Ausbildung stellt und zudem die Kosten und auch die Gefahr für ihren guten Ruf einfach zu groß wären. Sie wird daher nach einigen Schuljahren der Mutter zu Hause zur Hand gehen und alle für eine Haushaltsführung und Kinderversorgung notwendigen Tätigkeiten erlernen, bis sie mit vielleicht 16 bis 18 Jahren, häufig jedoch spätestens Anfang 20 verheiratet wird.
Gleichzeitig ist es kein weiter Weg, aus dieser deutlich ausgesprochenen Höherordnung des Mannes, sowie einigen Versen, die die Zurückhaltung der Frau rühmen bzw. anordnen, eine vergrößerte Entscheidungsgewalt und Bewegungsfreiheit für den Mann abzuleiten, die größtenteils im Nahen Osten – nicht nur unter Muslimen, aber hier aus der Religion heraus begründet – praktiziert wird.
Diese Entscheidungsgewalt erstreckt sich gewöhnlich auf den Wohnort der Familie, den Arbeitsplatz, die Schulausbildung der Kinder, ja, auf alles, was im außerhäuslichen Bereich zu regeln ist. Im allgemeinen wird der Mann alle die Öffentlichkeit betreffenden Belange regeln, die Frau alle häuslichen. Bei einer traditionell arrangierten Ehe hat allerdings die Mutter des Sohnes große Einflußmöglichkeiten.
Eine ältere Frau kann in der islamischen Gesellschaft als Mutter möglichst mehrerer Söhne, als Schwiegermutter und Großmutter zweifellos eine gewisse Achtungsstellung erringen, die sie in dieser Position des Verdachts der moralischen Verfehlung kaum noch aussetzt, solange sie sich an die allgemein gültigen Anstandsregeln hält. Sie wird ihrerseits nun zur Hüterin der Tradition und zu derjenigen, die darauf achtet, daß die jüngeren Frauen die Verhaltensregeln beachten. Eine berühmte Überlieferung besagt: „Das Paradies liegt zu den Füßen der Mütter“. Das bringt ihr gewisse Einflußmöglichkeiten und eine Stellung ein, in der sie durchaus hohen Respekt genießt, der nur dort an seine Grenzen stößt, wo die Entscheidungsgbefugnis des Mannes berührt wird. Verbietet ihr Ehemann etwas Bestimmtes, kann auch sie in der Regel dagegen nicht ankommen.
Daß diese Machtposition nach vielen Jahren der erfahrenen eigenen ‚Machtlosigkeit‘ auch wiederum zur Beherrschung unter ihr stehender Frauen – insbesondere der Schwiegertöchter – führen kann, liegt in der Natur des Menschen.
Der religiöse Bereich
Die erweiterte öffentliche Bewegungs- und Handlungsfreiheit des Mannes ist eng mit dem religiösen Bereich verbunden.
Zwar ist richtig, daß der Koran von der Frau ebenso wie vom Mann erwartet, ihren religiösen Pflichten im vollen Umfang nachzukommen.
„Ich werde keine Handlung unbelohnt lassen, die einer von euch begeht, gleichviel, ob es sich um Mann oder Frau handelt“ (3,195).
Dies ist jedoch insofern teilweise Theorie, als daß die Frau in der Praxis mancherlei Einschränkungen in ihrer Religionsausübung und der Abhängigkeit von ihrem Mann unterworfen ist, denen der Mann nicht in gleicher Weise ausgesetzt ist:
Sofern Arabisch nicht ihre Muttersprache ist, wird sie eher mit der Schwierigkeit konfrontiert sein, die täglichen Pflichtgebete korrekt auf Arabisch zu sprechen, da in den meisten Fällen allenfalls ihr Mann eine theologische Ausbildung genossen haben wird, und sei es auch nur ein arabischsprachiger Koranschulunterricht gewesen.
Zur Zeit ihrer rituellen Unreinheit (Menstruation und Wochenbett) darf sie weder beten noch einen Koran berühren noch über die Schwelle einer Moschee treten, d.h., keine rituelle Gottesverehrung praktizieren.
Zum Freitagsgebet in die Moschee zu gehen, ist nur für Männer verpflichtend, ja, in manchen Teilen der islamischen Welt wird von der Frau erwartet, daß sie grundsätzlich nicht in der Moschee, sondern zu Hause betet, was einige Überlieferungen als den besseren Weg bezeichnen.
Zum Almosengeben ist sie möglicherweise nicht in der Lage, da sie über kein eigenes Geld verfügt oder keinen Zugang zum Familieneinkommen besitzt. In diesem Fall kann sie auch keine zusätzlichen Almosen als Wiedergutmachung für versäumtes Fasten oder als Aufwiegen für eine andere Sünde geben.
Vom durchgängigen Fasten während eines ganzen Fastenmonats wird sie wiederum durch ihre rituelle Unreinheit abgehalten. Sie muß diese Fastentage dann allein, außerhalb des Fastenmonats, nachholen, also zu einer Zeit, in der ihre Umwelt auf ihr Fasten keinerlei Rücksicht nimmt und sie täglich für ihre Familie Mahlzeiten zubereiten oder u.U. Gäste einladen muß. Ergreift sie nicht die nächste Gelegenheit zum Nachholen der ihr fehlenden Fastentage, muß sie wiederum weitere Tage Bußfasten (oder eine andere Leistung erbringen), was wiederum durch erneute Unreinheit aufgeschoben werden kann. Wird sie schwanger oder stillt sie, darf sie abwägen zwischen dem Aufschub des Fastens (was ihr rechtlich zusteht, dann aber u. U. das Nachholen zweier ganzer Fastenmonate oder umfangreicher Ersatzleistungen nach sich zieht) oder aber dennoch fasten, was eine hohe körperliche Belastung bzw. gesundheitliche Gefährdung darstellt.
Möchte die Frau über den vorgeschriebenen Fastenmonat hinaus weitere Fastentage einhalten, um Gott wohlzugefallen oder eine Sünde wiedergutzumachen, darf sie dies nur mit Erlaubnis ihres Mannes, da er während ihres Fastens keinen ehelichen Verkehr mit ihr haben darf.
Ob sie jemals die Wallfahrt durchführen kann oder aufgrund der hohen Kosten bzw. der in der Regel üblichen Begleitpflicht eines weiteren Familienmitgliedes nicht eher ein männliches Familienmitglied nach Mekka pilgern wird, bleibt ungewiß. Auch die Wallfahrt wird unmöglich, wenn die vorgeschriebenen Wallfahrtstage in die Zeit ihrer Unreinheit fallen.
Der familiäre Bereich
Ein weiteres Merkmal der Höherordnung des Mannes ist zweifelos sein Züchtigungsrecht gegenüber der Frau, das im selben Koranvers über die Höherordnung des Mannnes formuliert wird:
„Und wenn ihr befürchtet, daß [die] Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch [wieder] gehorchen, dann unternehmt nichts gegen sie“ (4,3).
Wenn der Mann also befürchtet (und der Fall des Ungehorsams noch gar nicht eingetreten ist?), seine Frau könne sich gegen ihn auflehnen, kann er – ja soll er, denn der Vers steht im Imparativ – zum Mittel der Züchtigung greifen, um seine Frau zum Gehorsam zu zwingen, nachdem die Ermahnung und die eheliche Verweigerung sie nicht zum Nachgeben bewogen haben. Natürlich wird nicht deshalb jede muslimische Frau von ihrem Ehemann geschlagen, genausowenig wie behauptet werden kann, daß dieses Problem in nichtislamischen Ehen nicht aufträte. Es gibt immer wieder muslimische Stimmen, die das Schlagen der Ehefrau für nicht mehr zeitgemäß erklären (wie z.B. Smail Balic) oder den betreffenden Koranvers so deuten, daß damit eigentlich keine Schläge, sondern eine nachdrückliche Ermahnung gemeint sei, aber dies sind Außenseiterpositionen, die aufgrund des relativ eindeutigen Wortlautes des Korantextes und der Nichtexistenz offizieller Korankritik schwer zu begründen sind.
Es bleibt aber eine Tatsache, daß der Koran das Recht auf Gehorsam – notfalls mittels Gewalt – der Ehefrau ausdrücklich formuliert, auch wenn heute muslimische Apologeten kontextualisierend darauf hinweisen, daß damit keinesfalls harte Schläge oder gar Verletzungen gemeint seien, sondern nur eine symbolische Handlung, die der Frau mit Nachdruck den Ernst der Lage vor Augen führen solle.
In einigen islamischen Ländern ist das Züchtigungsrecht gesetzlich verankert; kommt es zu einem Prozeß vor einem Familiengericht, wird es der Ehefrau in der Regel unmöglich sein, wegen ‚maßvoller‘ Züchtigung des Ehemannes zu klagen. Verhält sich ein Ehemann zu rücksichtslos gegen seine Ehefrau oder flieht sie sogar vor ihrem Ehemann zu ihren Eltern, wird in aller Regel der Vater oder Bruder der Ehefrau versuchen, den Ehemann zu einem Versprechen einer Verhaltensänderung zu bewegen. Ob nun eine Frau von ihrem Mann geschlagen wird oder nicht, er hat auf jeden Fall das Recht, von ihr Gehorsam zu erwarten und sie ist ihm gehorsamspflichtig, so lange das Verlangte nicht gegen die Gebote des Islam verstößt. So heißt es in Sure 4,34: „Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben“, oder, wie auch übersetzt wird: „Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen“.
Die Überlieferung unterstreicht in etlichen Traditionen das Recht des Mannes zur Züchtigung seiner Frau:
„Der Mann wird nicht zur Verantwortung gezogen dafür, daß er seine Frau geschlagen hat“.
Auch Muhammad hat ausdrücklich das Schlagen der Frau im Fall ihres Ungehorsams gestattet.
Im allgemeinen wird dieses Züchtigungsrecht zwar als Recht des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau aufgefaßt werden, ist in der Praxis jedoch nicht ganz auf diesen Bereich beschränkt. Es kann sich durchaus vom Vater auf die Tochter, ggf. auch eine Nichte erstrecken und wird nicht selten auch von Brüdern gegenüber ihren (teilweise ältern) Schwestern praktiziert, insbesondere, wenn es um das Thema Ehre und Schande geht.
Zwar rühmen einige Überlieferungen die gute Behandlung der Frauen durch ihre Männer und empfehlen ihnen eine liebevolle, geduldige Behandlung ihrer Frau, in deren Rahmen der Mann sich ihr widmet, ihrer Probleme annimmt und sie unterstützt, aber ihnen stehen zahlreiche Überlieferungen gegenüber, die Frau in einem negativen Zusammenhang erwähnen (Z.B.: „Ein schlechtes Omen findet sich in einer Frau, in einem Haus und in einem Pferd“) und der Frau Verführung, Untreue, Betrug und List zuschreiben.
al-Ghazali, ein berühmter islamischer Theologe des Mittelalters überlieferte:
„Wäre es erlaubt vor irgend jemand außer Gott niederzufallen, dann sollten die Frauen vor ihren Ehemännern niederfallen“.
Einige Überlieferungen verbinden die Frage der Zufriedenheit des Mannes mit seiner Frau mit ihrem Eintritt ins Paradies:
„Wenn eine Frau stirbt, während ihr Mann zufrieden mit ihr war, wird sie ins Paradies eingehen“.
Auch ihrer Gebete werden nicht erhört, wenn ihr Mann nicht mit ihr zufrieden ist. Eine andere Überlieferung lautet:
„Ich blickte ins Feuer (der Hölle) und sah, daß die meisten seiner Insassen Frauen waren.“
Ferner gestattet der Koran dem Mann einseitig die Polygamie, d.h., die Heirat mit bis zu vier Frauen und einer nicht näher benannten Zahl von Nebenfrauen gleichzeitig (4,3). Gleichzeitig räumt der Koran dem Mann einseitig das Recht zur Verstoßung der Frau ein, die auf traditionelle Weise ohne Angabe von Gründen, ja ohne eine Inkenntnissetzung der Ehefrau durch das dreimalige Aussprechen der Scheidungsformel „Ich verstoße dich“ geschieht. Auch die Frau kann sich scheiden lassen, jedoch muß sie immer einen Gerichtsprozeß anstrengen.
Der rechtliche Bereich
Ebenso unbestritten ist die rechtliche Benachteiligung der Frauen im rechtlichen Bereich, vor allem im Zeugen- und Erbrecht. Im Zeugenrecht insofern, als vor Gericht die Aussage eines Mannes nur aufgewogen werden kann von der gleichlautenden Aussage zweier Frauen (2,282).
Gründe für diese Regelung führt der Koran nicht an, muslimische Theologen heben jedoch hervor, daß Frauen aufgrund ihrer rascheren emotionalen Schwankungen und ihrer größeren Vergeßlichkeit größere Schwierigkeiten hätten, sachlich zutreffende Aussagen vor Gericht zu machen. Manchmal wird explizit die Auffassung geäußert, Frauen sollten in Strafrechtsprozessen grundsätzlich überhaupt nicht aussagen.
Aus christlicher Sicht
Wenn der Koran von der Erschaffung von Mann und Frau berichtet, so haben muslimische Apologeten oft darauf hingewiesen, daß im Koran die „herabsetzende“ Bemerkung aus 1. Mose 21-22 fehlt, daß Gott nämlich die Frau aus einer Rippe des Mannes geschaffen habe. Der Islam belege, daß vor Gott Mann und Frau gleich geschaffen seien. Wenn allerdings darüber geurteilt wird, ob eine bestimmte Stelle aus Koran oder Bibel herabsetzend über die Stellung der Frau spricht, müssen alle Aussagen zum Thema herangezogen werden:
Entscheidend werden Aussagen, wie z. B. daß die Männer „über den Frauen stehen“, weil Gott „die einen vor den anderen bevorzugt hat“ (4,34), er das Züchtigungsrecht gegenüber der Frau hat, seine Entscheidungs- und Handlungsvollmachten im öffentlichen wie privaten Bereich erheblich größer sind wie auch seine Möglichkeiten der Religionsausübung, ihre rechtliche Benachteiligung im Zeugen- und Erbrecht, die einseitige Erlaubnis zur Polygamie, sowie das einseitige Verstoßungsrecht für ihn.
Zwar empfehlen einige Überlieferungen und auch muslimische Theologen durchaus die liebevolle Behandlung der Ehefrau, aber dies ist durchaus kein Recht, das von der Frau eingeklagt werden kann. Sie bleibt durch ihre eingeschränkten Rechte, ihre Gehorsamspflicht und seine übergeordnete Stellung als ihr Herr ihm ausgeliefert und von seinem Wohlwollen abhängig.