Pressemeldung zum Ehrenmord in Berlin am 7. Februar 2005

Institut für Islamfragen

Mord als letztes Mittel zur Wiederherstellung der Familienehre?

B O N N (07. März 2005) – Hatun Sürücü ist auf offener Straße in Berlin-Tempelhof erschossen worden. Drei Brüder der 23jährigen Deutschen türkischer Herkunft stehen unter dem dringenden Verdacht, ihre Schwester umgebracht zu haben – und zwar „im Namen der Ehre“. Anfangs erregte der Vorfall in den Medien kein großes Aufsehen. Dann stieß man auf den offenen Brief des Direktors einer Hauptschule in unmittelbarer Nähe des Tatorts. Einige seiner muslimischen Schüler hätten den Mord begrüßt mit den Worten „Sie hat wie eine Deutsche gelebt“. Einige Medien griffen den Satz auf und machten die Fassungslosigkeit der Deutschen über das Phänomen Ehrenmord zum Thema. In Deutschland soll es zwischen 1996 und Juli 2004 etwa 40 so genannte Ehrenmorde und Mordversuche gegeben haben, weltweit geht die UN-Menschenrechtskommission von jährlich 5000 betroffenen Frauen aus.

Das Motiv der drei Brüder und die indirekte Schuldzuweisung der muslimischen Hauptschüler an das Opfer liegen dabei offenkundig nah beieinander. Sürücü, die mit 15 Jahren in die Türkei zwangsverheiratet worden war und nach dem Bruch mit der Familie ihren Mann zurückließ und nach Deutschland zurückkehrte, machte in Berlin eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin. Ihr Lebensstil wurde scheinbar zunehmend westlicher. Sie habe ihr Kopftuch abgelegt, Männerbekanntschaften gepflegt, sei gerne ausgegangen und habe viel gelacht, hieß es.

Aus Sicht des islamischen Religions- und Kulturverständnisses gilt ein solches Verhalten als unmoralisch und befleckt damit die Ehre der ganzen Familie. Die Frau gilt als Trägerin dieser Ehre, die Männer als deren Verteidiger. Eine sittsame Frau, so erklärt die Bonner Islamwissenschaftlerin Dr. Christine Schirrmacher, wahrt die Familienehre nach islamischem Verständnis vor allem durch Einhaltung der islamisch-nahöstlichen Anstandsregeln. Demnach soll sie keinen Blickkontakt mit einem nichtverwandten Mann suchen, ihn nicht ansprechen, sich angemessen kleiden und Zurückhaltung üben. Der Koran weist die Frauen in Sure 24,31 an, ihre „Augen niederzuschlagen und ihre Scham zu bewahren“. Die Durchsetzung der Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum ist Ausdruck der islamischen Überzeugung, dass die Ehre vor allem im Bereich der Sexualität gefährdet sei.

Ist die Familienehre einmal verletzt, kann sie nur der Mann wiederherstellen. Er muss unbedingt handeln, ansonsten steht in der Gefahr, als Schwächling beurteilt zu werden, unfähig, die Ehre der eigenen Familie zu schützen. Ergreift er jedoch entsprechend drastische Maßnahmen wie das Schlagen, Einsperren oder Zwangsverheiraten der Frau, beweist er seine Stärke und Kontrolle über die Frau und die Situation. Im Fall von Hatun Sürücü wog für die Brüder die Familienehre schwerer als das Leben ihrer Schwester.

In islamischen Gesellschaften wie Jordanien oder Pakistan gibt es vielfach sogar einen Straferlass für „Ehrenmörder“. In der Türkei soll eine ähnliche rechtliche Schieflage nun mit einer Strafrechtsreform am 1. April korrigiert werden. Nach Ansicht Schirrmachers offenbaren die neusten Vorfälle von Ehrenmord, Zwangsverheiratung und Schlagen der Frauen die Notwendigkeit, „in dieser Gesellschaft christliche Werte neu einzufordern und für alle verbindlich durchzusetzen“. Es dürfe hier keine Empfehlung zur Gewalt, keine Zwangsehe und keinen Ehrenmord geben.

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