Hat die Regierung „nicht einen religiösen Sog erzeugt, der diese Angriffe vorbereitetet?“
(Institut für Islamfragen, mk, 14.06.2007) Türker Alkan, Kolumnenautor der türkischen Tageszeitung „Radikal“, kommentiert die Gewalttätigkeiten gegenüber zwei georgisch-orthodoxen Priestern in Artvin am 27.05.2007. Fünf Priester waren zuvor von Georgien in die Türkei eingereist und zwei Priester, Levan Bregvadze (36) und Teimuraz Bekurihsvili (31), übernachteten im Hotel in Borcka/Artvin. Sie verließen das Hotel, um Telefonmünzen zu kaufen und kamen dabei mit drei Verkäufern ins Gespräch. Jene sahen die Kreuze, die die Priester trugen, fühlten sich in ihren „religiösen Gefühlen verletzt“, begannen einen Streit und prügelten auf die beiden Priester heftig ein, so dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Eine Nacht blieben sie dort und verließen dann die Türkei in Richtung Georgien. Die Polizei nahm die Schläger fest, die angaben, die angeblich in zivil gekleideten Priester gefragt zu haben, was sie von Beruf seien. Diese hätten geantwortet, sie seien zur Missionsarbeit in die Türkei gekommen. Danach hätten die Täter sie geschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter.
Kolumnenautor Alkan bringt die vergangenen Morde an dem katholischen Priester Andrea Santoro in Trabzon, an dem Schriftsteller Hrant Dink in Istanbul, die Morde an drei Christen in Malatya und diese Vorfälle in einen Zusammenhang miteinander. Er fragt sogar sehr zugespitzt: „Was haben solche Menschen, die Christen so verprügeln, in der EU zu suchen?“ Alkan resümiert, dass es nach seiner Erinnerung vor diesen Ereignissen keine ähnlich negativen Reaktionen in der jüngsten türkischen Geschichte Christen gegenüber gab. Was sind die Gründe für eine solche Entwicklung? fragt Alkan. Er bringt die negative Stimmung im Land mit der regierenden AK-Partei Recep Tayyip Erdogans in Verbindung. Durch die AKP-Regierung ermutigt, seien an den Schulen Schriften verteilt worden, die die Scharia loben und sie so hoffähig machten. Durch die AKP begänne das Kopftuch an den Schulen Eingang zu finden. Zahlreiche staatliche Stellen seien nun in der Hand von Islamisten und das habe eine Atmosphäre erzeugt, in der die Islamisten glaubten, dass sie den Staat „übernommen“ hätten. Einige Stadtverwaltungen hätten sich angemaßt, ein Alkoholverbot für ihr Gebiet auszusprechen. In den Standesämtern seien islamistische Katechismen an Heiratswillige verteilt worden. Beinahe wäre ein erzkonservativ islamischer Präsident gewählt worden. Die islamistischen Ordensgemeinschaften hätten ihre Aktivitäten vervielfachen können.
„Natürlich“, so fährt Alkan fort, „hat die Regierung selbst nicht gesagt: ‚Schlagt die Ungläubigen (Christen)!’, aber hat sie nicht einen religiösen Sog erzeugt, der diese Angriffe vorbereitetet?“ Alkan weist darauf hin, dass man in den islamischen Medien nachforschen kann, wie diese Atmosphäre entstand. Diese Medien tun so, als ob es die Morde und Vorfälle gar nicht gebe oder sie versuchen, die Täter als Opfer darzustellen. Islamisten, die diese Taten verdammen, gäbe es so gut wie gar nicht. Alkan bedauert, dass in der Türkei so ein Umfeld der Unversöhnlichkeit und Einseitigkeit erzeugt wird.
Quelle: www.radikal.com.tr/haber.php?haberno=222768