Lynchjustiz muss befürchtet werden
(Institut für Islamfragen) Apostasie [das Verlassen des Islams] ist in jedem islamischen Land ein enorm riskantes, zuweilen sogar tödliches Unterfangen. Das ist nichts Neues für die Betroffenen und auch nicht für jeden, der sich ernsthaft mit Religionsfreiheit beschäftigt. Das traditionelle Recht der Scharia fordert den Tod des vom Islam Abgefallenen und stützt sich dabei auf den Haidth [Ausspruch Mohammeds]: „Wer seine islamische Religion wechselt, tötet ihn.“ Sahih Al-Bukhari, Band 9,57). In Zeiten des politischen Machtverfalls in den islamischen Staaten insbesondere nach den beiden Weltkriegen und dem Aufstieg des sekulären arabischen Nationalismus kam man weitgehend von der Verhängung der Todesstrafe wegen Apostasie auf staatlicher Ebene ab. Während Konvertiten aus dem Islam häufig aus religiösem Hass oder im Namen der „Ehre“ ermordet wurden, wurden von Staaten, die unter westlichem Mandat standen oder wirtschaftlich vom Westen abhängig waren, keine Todesurteile wegen Apostasie verhängt.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Die sunnitische Bewegung der Wahabiten konnte dank der enormen Gewinne aus den Ölexporten Saudi Arabiens ihre Lehren in vielen Ländern verbreiten. Nach Jahrzehnten sinkenden Lebensstandards in vielen islamischen Ländern sind die Menschen bereit, die Behauptung der Moslembruderschaft „der Islam ist die Lösung“ in der Praxis zu testen. Seit der islamischen Revolution von 1979 und der Gründung der Islamischen Republik Iran ist zwar in breiten Bevölkerungsschichten Ernüchterung eingekehrt, doch Präsident Ahmadinedschad und der ultrakonservative schiitische Klerus wollen, getragen von apokalyptischem Eifer, das Kommen des Mahdi beschleunigen. In diesem Klima ist der Iran im Begriff, neue Gesetze zu schaffen, durch die der Abfall vom Islam und die Förderung des Abfalls (auch über das Internet) mit dem Tod bestraft werden sollen. Dies geschieht im Namen der „geistigen Gesundheit“ des Staates. Die Kleriker an der Spitze des iranischen Polizeistaats kümmern sich offensichtlich nicht um das Missfallen des Westens. Die Einführung der Todesstrafe für Apostasie ist für den Iran vielmehr ein geeignetes Mittel, den Westen zu brüskieren und die eigene Vormachtstellung im Mittleren Osten auf Kosten der USA zu zementieren. Dieses Gesetz ist eine Reaktion auf die Realität, dass sich immer mehr durch die scheinbar nie enden wollende Armut und Unterdrückung entmutigte iranische Moslems vom Islam abwenden. Eine kürzlich im iranischen Fernsehen übertragene Predigt eines schiitischen Imam zeigt, wie besorgt die Behörden wegen des Phänomens der Bekehrung vom Islam zu anderen Religionen sind und dass sie bereit sind, diese Bewegung zu stoppen. Ein Youtube Clip zeigt einen Ausschnitt aus der Predigt eines schiitischen Mullah, der die Gläubigen anleitet, sich nicht darum zu kümmern, Sunniten, Christen oder Anhänger des Zoroastrismus [Religion des vorislamischen Iran] zum schiitischen Islam zu bekehren. Denn – so warnt er – er sei durch das ganze Land gereist und die größte Gefahr sei die des Abfalls vom Islam, insbesondere unter jugendlichen Schiiten, die sich der Religion der alten Perser zuwenden. „Lasst es nicht zu, dass unsere jungen Schiiten unsere Religion verlassen“, brüllt er. Dabei erwähnt er die Übertritte zum Christentum mit keinem Wort.
Iranische Konvertiten und die UN Flüchtlingsorganisation
Trotz der Gefahr für Konvertiten, ermordet zu werden, haben verschiedene westliche Länder in den letzten Jahren iranische Asylwerber, darunter auch Konvertiten aus dem Islam, in den Iran zurückgeschickt und sich dabei auf die Behauptungen des Hochkommissariats für Flüchtlingswesen der Vereinten Nationen (UNHCR) gestützt, dass diese dort nicht verfolgt würden. Doch das UNHCR wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass das iranische Parlament am 9. September einen Gesetzesentwurf angenommen hat, der zwingend die Todesstrafe für Konversion aus dem Islam vorsieht. Dieser Gesetzesantrag wurde mit 196 Ja-Stimmen und sieben Gegenstimmungen bei zwei Enthaltungen angenommen. Der Weg dieses Gesetzesentwurfs durch das iranische Parlament gibt einer steigenden Zahl von Iranern, die den Islam verlassen und sich einer anderen Religion zugewandt haben, Anlass zu großer Sorge und stellt einen großen Rückschritt für die Menschenrechte im Iran dar. In dem Gesetzesentwurf werden neben Apostasie noch weitere Delikte angeführt, die mit dem Tode zu bestrafen sind, darunter die Einrichtung von Blogs und Webseiten, die Korruption, Prostitution oder den Abfall vom Islam fördern. In dem Gesetzesentwurf heißt es, dass wer dieser Delikte überführt wird, als „mohareb“ [Feind Gottes] und „Verdorbener auf der Erde“ zu bestrafen ist. Weiters ist vorgesehen, dass in all den genannten Fällen unbedingt die Todesstrafe zu verhängen und keine Strafnachsicht oder Umwandlung möglich ist.
Sofortige Auswirkungen?
Bereits im August wurden zwei iranische Christen offiziell wegen Apostasie angeklagt. Mahmood Matin Azad (52) und Arash Basirat (44) befinden sich seit ihrer Verhaftung am 15. Mai in Schiraz wegen des Verdachts der Apostasie in Haft. Die ursprüngliche Anklage lautete auf Propaganda gegen die islamische Republik Iran. Als ihr Anwalt sich Anfang August mit den Behörden in Verbindung setzte, wurde er informiert, dass die beiden wegen Apostasie angeklagt werden. Iranische Christen befürchten, dass nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes ein Exempel an den beiden statuiert werden soll. Zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes fehlt noch die Zustimmung des Wächterrats. Selbst wenn diese aus irgendeinem Grund nicht erteilt werden sollte, ist es sehr wahrscheinlich, dass Personen, die das Schariarecht in die eigene Hand nehmen und Lynchjustiz üben vom derzeitigen Regime nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Quelle: WEA-RLC. (Deutsche Fassung: Österreichische Evangelische Allianz, Arbeitskreis Religionsfreiheit)