Kann eine Schwangerschaft bis zu vier Jahren dauern?

Institut für Islamfragen

Zakariya Butros bezweifelt Aussagen der Überlieferung

(Institut für Islamfragen, dh, 03.04.2008) Nachdem der ägyptisch-koptische Priester Zakariya Butros in mehreren seiner Fernsehsendungen die mögliche Dauer einer Schwangerschaft erörtert und dazu auch Quellen des Islam zitiert hatte, gemäß derer seiner Auffassung nach Muhammads Mutter mit Muhammad vier Jahre lang schwanger gewesen sei, ergeben sich intensive Debatten in verschiedenen islamisch geprägten Ländern:

Anlass der Debatten ist auch ein gewisser Widerspruch zwischen verschiedenen Quellen des Islam zur Frage der Höchstdauer einer Schwangerschaft. So spricht der Koran z. B. von 30 Monaten, die für die Schwangerschaft inklusive der Stillzeit bestimmt sind, während die vier sunnitischen Rechtsschulen auch von längeren Zeiträumen für eine Schwangerschaft sprechen, die bis zu vier Jahren reichen. Priester Zakariya Butros hat eine solche vierjährige Schwangerschaft nun für Muhammads Mutter behauptet.

Muslimische Kritik an Zakariyas Quellen:

Der muslimische Gelehrte Fadel Sulaiman versuchte, die Argumente des koptischen Priesters Zakariya Butros in Bezug auf die Dauer der Schwangerschaft der Mutter Muhammads zu widerlegen. Fadel Sulaiman ist Vorsitzender der in den USA ansässigen muslimischen Organisation „Brücken, um den Islam Amerika nahezubringen“. Kürzlich nahm Fadel Sulaiman in mehreren Videoaufnahmen gegen Priester Zakariya Butros Stellung:

Sulaiman schloss die Annahme seitens Zakariyas, dass die Mutter Muhammads vier Jahre mit ihm schwanger gewesen sein könnte, als „Niveaulosigkeit“ aus, denn:

  1. Muhammad habe viele Feinde gehabt. Gäbe es tatsächlich Unklarheiten, wer sein Vater gewesen sei, hätten seine Feinde dieses Arguement gegen ihn vorgebracht, was jedoch bekanntermaßen nicht der Fall gewesen sei.
  2. Abu Sufyan, ein bedeutender Weggefährte Muhammads und sein Schwiegervater, bestätigen die vornehme Herkunft Muhammads.
  3. Der Koran befiehlt Muslimen im allgemeinen, sich für den Kern einer Sache, nicht für unwichtige Details zu interessieren. Z. B. ist es allgemein unbekannt, wann Muhammad seine [im Islam allgemein als Tatsache anerkannte] Himmelfahrt unternommen habe [wichtig sei nur die Tatsache, dass sie sich ereignete, nicht, wann das geschah.]
  4. Alle Quellen des Islams [die Butros zitiert habe] seien nicht wirklich glaubwürdig, denn es gäbe viele Widersprüche in Bezug auf die Dauer der Schwangerschaft von Muhammads Mutter. Diese Widersprüche würden jedoch vom Priester Zakariya Butros nicht erwähnt. So teilt uns beispielsweise der Überlieferer Muhammad ibn Ka’b mit, dass Muhammads Vater, Abdul-Lah, starb, als Muhammad 28 Monate alt war. Andere Quellen sagen jedoch, Muhammad sei erst sieben Monate alt gewesen. Fadel Sulaiman stellt die Frage: „Welche dieser widersprüchlichen Daten sollen wir nun glauben?“ [Also auch in Bezug auf die Dauer der Schwangerschaft der Mutter Muhammads könne es unterschiedliche Auffassungen geben.]

Fadel Sulaiman fährt fort:

„Welche dieser Berichte [über die Dauer der Schwangerschaft bei Muhammad] wahr ist, kann ich nicht sagen. Es interessiert mich ohnehin nicht. Wir [die Muslime] geben zu, dass wir widersprüchliche Informationen über unwichtige Dinge haben, die nicht überprüfbar sind.“

Zum Geburtsdatum Muhammads gäbe es, so Fadel Sulaiman, unterschiedliche Angaben [eine Dokumentation des exakten Geburtsdatums hat in islamisch geprägten Ländern bis in die Neuzeit keine Tradition]: „Welche der Daten wahr ist, das weiß nur Allah.“

Priester Zakariya Butros erwiderte in einer Sendung in dem arabisch-christlichen Sender „al-Hayat“, dass er die Herkunft Muhammads oder die Dauer der Schwangerschaft seiner Mutter in Frage stellen wolle. Er habe lediglich Muslime auf diese sehr unterschiedlichen Angaben in den sehr verbreiteten [und anerkannten] Quellen des Islams aufmerksam machen wollen. Er gab zu, es gäbe keine [letzte] Klarheit in Quellen des Islam über die Dauer der Schwangerschaft von Muhammads Mutter.

Quelle: www.islamexplained.com/Daring QuestionEpisode50/tabid/768/Default.aspx (16.02.2008)

Die Aussage des Korans

Der Koran definiert die Frist der Schwangerschaft und das Stillen zusammen mit 30 Monaten:

„Und ihn zu tragen und ihn zu entwöhnen erfordert dreißig Monate“ (Sure 46,15).

In einem anderen Koranvers wird die Stillzeit auf zwei Jahre festgelegt:

„Und die Mütter stillen ihre Kinder zwei volle Jahre. (Das gilt) für die, die das Stillen vollenden wollen“ (Sure 2,233).

Der zweite Koranvers (2,233) benennt als Stillzeit zwei Jahre bzw. 24 Monate. Da der erste Koranvers (46,15) die Dauer der Schwangerschaft inklusive der Stillzeit auf 30 Monate beschränkt, bleibt für die Schwangerschaft nur 6 Monate.

Da die Meisten Mütter mehr als 6 Monate schwanger sind, versteht die überwiegende Mehrheit der Koransausleger diesen Zeitraum (6 Monate) als die kürzeste Zeit, die eine Schwangerschaft dauern kann.

Was besagen andere Quellen des Islams zu diesem Thema?

Fadels Argument, dass die Schwangerschaft keine 4 Jahre dauern könne, widerspricht prominenten Quellen des Islams. So z. B. liest man bei Ibn Qudama in seinem „Kitab al-‚Adad“, Kap. 8. in Frage 6337:

„Imam ash-Shafi’i und Imam Malik [die Gründer zweier Rechtsschulen des sunnitischen Islam] sagen, dass eine Schwangerschaft 4 Jahre dauern kann. Imam Ahmad Ibn Hanbal bestätigt jedoch, dass die Schwangerschaft nicht mehr als 2 Jahre dauern kann. Aischa, eine der Ehefrauen Muhammads, und Imam Abu Hanifa [der Gründer einer weiteren Rechtsschule des sunnitischen Islam] bestätigen, dass eine Schwangerschaft höchstens 2 Jahre dauern kann … Jedoch versichert ‚Abad bin ‚Awam, dass eine Schwangerschaft 5 Jahre dauern kann. Az-Zuhri sagte, eine Schwangerschaft kann 6 bis 7 Jahre dauern. Abu ‚Ubaid bestätigte, es gäbe keine [allen] bekannte Dauer für eine Schwangerschaft“

Viele Quellen des Islam berichten von Schwangerschaften die einige Jahre dauerten. Z. B. soll die Schwangerschaft mit Imam Malik bin Anas [dem Gründer der malikitischen Rechtsschule des Islam] 3 Jahre gedauert haben

Zeitgenössische prominente muslimische Gelehrte versichern ebenfalls, dass die Schwangerschaft einige Jahre dauern kann. Z. B. Ali Jum’a, der offizielle Rechtsgutachter Ägyptens. Auch das ägyptische Rechtsgutachtergremium „Dar al-Ifta’ al-Misriya“ bestätigt, es gäbe in der [islamischen] Geschichte Schwangerschaften, die 4 Jahre oder mehr gedauert hätten. Umar bin al-Khattab, der zweite Kalif nach Muhammad, habe die Höchstdauer für eine Schwangerschaft auf 4 Jahre begrenzt.

Kommentar: Aufgrund der Annahme von lange dauernden Schwangerschaften durch maßgebliche muslimische Autoritäten der islamischen Frühzeit gibt es in Strafrechtsprozessen nach Scharia-Ordnung bei Anklage von verwitweten Müttern wegen mutmaßlichen Ehebruchs die Möglichkeit, sich auf diese „ruhenden“ Schwangerschaften zu berufen [d. h., zu behaupten, dass der Fötus im Mutterleib z. B. zwei Jahre geruht habe und daher erst drei Jahre nach dem Tod des Ehemanns geboren worden sei]. Auf diese Weise können Todesurteile vermieden werden [wie etwa in jüngster Vergangenheit in den nördlichen Bundesstaaten Nigerias geschehen], da einerseits nicht die Scharia außer Kraft gesetzt wird, andererseits die Todesstrafe für Ehebruch außer Kraft gesetzt werden kann.