Kein Beweis für göttliche Offenbarung des Korans in ägyptischen Inschriften

Institut für Islamfragen

Ist der Koran naturwissenschaftlich und historisch nachweislich ein Wunderwerk?

Seit gut dreißig Jahren ist die Behauptung, dass der Korantext wissenschaftlich nachweisbar ein Wunderwerk ist, ein wichtiges muslimisches Argument für den Wahrheitsanspruch des Islam. Mit dieser Behauptung wird intensiv für den Islam geworben. In muslimischen Publikationen werden inzwischen mindestens 200 verschiedene angeblich wissenschaftlich nachprüfbare Beweise für den Wundercharakter des Korans aufgeführt. Es wurde dazu folgendes recherchiert:

Die Erwähnung einer Person namens Haman in der Geschichte des Mose und Pharao im Koran (vgl. 28,6; 8,38; 29,39; 40,24+36) und der angebliche Fund einer altägyptischen Inschrift mit seinem Namen lange vor dem Aufkommen des Islam wird von vielen Muslimen als der wichtigste historische Beweis für die Wahrheit des Korans und des Islams betrachtet. Wir veröffentlichen dazu eine Pressemeldung mit den wichtigsten Fakten zu dieser Thematik mit Stellungnahmen dreier Ägyptologen sowie einem Brief von Prof. Dr. Jürgen Osing von der Freien Universität Berlin, der ausführlich auf Fragen zu dieser Inschrift antwortet.

Kein Beweis für göttliche Offenbarung des Korans in ägyptischen Inschriften

Wunderbehauptung von Ägyptologen entkräftet

Wien, 1. November 2009. Seit 15 Jahren ist ein altägyptischer Türpfosten im Wiener Kunsthistorischen Museum Gegenstand einer brisanten, religiös-dogmatischen Debatte. Einige muslimische Apologeten sind der Überzeugung, in diesem Pfosten einen klaren Beweis für die göttliche Herkunft ihres heiligen Buches, des Korans, vorliegen zu haben. Hieroglyphen-Spezialisten haben nun die Inschrift auf dem Pfosten untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Das Relikt enthüllt keine metaphysischen Wahrheiten.

Haman – dieser mysteriöse Name soll der 100-prozentige Beweis dafür sein, dass der Ursprung des Korans kein menschlicher ist. Das heilige Buch des Islam beschreibt die Person hinter dem Namen Haman als einen engen Vertrauten oder Berater des Pharaos zurzeit des Propheten Moses. Darüber hinaus erteilt der ägyptische Herrscher Haman den Auftrag, aus gebrannten Ziegeln ein Gebäude zu bauen, das bis zu Gott in den Himmel ragt.

Als der französische Wissenschaftler Dr. Maurice Bucaille 1994 in seinem Buch „Moses und der Pharao: Die Hebräer in Ägypten“ behauptete, er habe die Person „Haman“ in den Hieroglyphen auf einem Türpfosten sichern können, brach bei muslimischen Apologeten eine regelrechte Wunderbegeisterung um diesen Namen aus, die bis heute anhält. Die berufliche Bezeichnung der Person aus der Inschrift, „Vorsteher der Steinbrucharbeiter“, passe perfekt zu der Beschreibung des Korans, so Bucaille. Außerdem könne aus den Hieroglyphen die enge Beziehung zwischen dem Pharao und Haman abgeleitet werden. Bucaille schlussfolgert: Dass eine solche Person tatsächlich existiert hat, belege die historisch korrekten Angaben des Korans, ganz im Gegensatz zur Bibel.

In den folgenden Jahren haben zahlreiche muslimische Prediger Bucailles Analyse aufgegriffen. So schreibt beispielsweise der umstrittene türkische Schriftsteller Harun Yahya in seinem Buch „Der Prophet Moses (a. s.)“:

„Die Existenz des Namen Haman in den alten ägyptischen Schriftrollen untermauert die Tatsache, dass der Koran das unfehlbare Wort Gottes ist. Der Koran gibt uns hier auf wunderbare Weise ein Stück historischer Information, das man zu Zeiten des Propheten Mohammed niemals hätte auffinden oder erschließen können.“

Doch handelt es sich hierbei wirklich um ein göttliches Wunder? Um diese Frage zu beantworten, haben Experten nun die Inschrift auf dem Türpfosten untersucht.

„Altägyptische Hieroglyphen bestehen aus Konsonantenlauten. Die Vokalisation ist unklar“,

erläutert der Berliner Ägyptologe Professor Dr. Jürgen Osing. Somit könne selbst in der Theorie der Name „Haman“ in dieser Form gar nicht gesichert werden, sondern allenfalls ein „Hmn“.

„Doch auf dem Pfosten befindet sich nicht einmal der Name ‚Hmn‘, sondern ‚Hmn-h‘“, so Osing.

Hieroglyphen-Experte Professor Dr. Erhart Graefe, Direktor des renommierten Institutes für Ägyptologie und Koptologie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, erklärt nach Ansicht der Inschrift:

„Die Endung ist zweifelsohne ein Kürzel, dies geht aus einem ähnlichen Namen hervor.“

Dr. Katharina Stegbauer vom ägyptologischen Institut der Universität Leipzig stimmt dem zu:

„Der komplette Name für das Kürzel lautet Hemen-hetep. Das bedeutet übersetzt: ‚Hemen ist zufrieden’ oder ‚gnädig’, wobei Hemen eine ägyptische Gottheit ist. Ägypter haben häufig ihre Namen so zusammengesetzt, dass darin ein Gott mit einem Attribut verknüpft wird.“

Doch Stegbauer geht noch weiter:

„Bei genauerer Betrachtung entspricht das ‚H‘ des Namen ‚Haman‘ aus dem Koran nicht dem ‚H‘ in den Hieroglyphen. Es ist ein anderer Laut. Später sind diese H-Laute zwar im Koptischen verschmolzen, doch die Phonologie ist uns heute weitestgehend bekannt.“

Osing, der in seinem Werk „Die Nominalbildung des Ägyptischen“ den Unterschied dieser Laute untersucht hat, erklärt:

„Zu der Zeit, auf die der Türpfosten datiert wird, war eine solche Verschmelzung sehr selten. Mir ist nur ein einziger Fall aus dieser Periode bekannt.“

Quelle: Kunsthistorisches Museum mit MVK und ÖTM, Wien. Mit freundlicher Genehmigung.

Die Frage, ob die Berufsbezeichnung „Vorsteher der Steinbrucharbeiter“ eine enge Beziehung zum Pharao vermuten lässt, verneint Stegbauer.

„Tatsächlich lautet die Berufsbezeichnung auf dem Pfosten ‚Vorsteher der Steinmetze des Amun‘. Wahrscheinlich war Hemen-hetep in einem Tempel beschäftigt. Daraus lässt sich sein Verhältnis zum Pharao nicht ableiten.“

Graefe stimmt Stegbauer zu:

„Der Rest des Textes besteht aus den üblichen Totenwünschen. Darin findet sich nichts Besonderes, was auf eine enge Beziehung zum Pharao schließen lässt.“

Zur Berufsbezeichnung des Haman ergänzt Osing:

„Es ist zweifelhaft, dass ein ägyptischer König nicht etwa seinen ‚Vorsteher aller Arbeiten des Königs‘ mit der Errichtung eines so gewaltigen Baues beauftragt haben sollte, sondern einen unbedeuteten und für Ziegelbauten wenig qualifizierten ‚Vorsteher der Steinbrucharbeiter bzw. Steinmetze‘. Außerdem ist im Koran ausdrücklich von erhitzten bzw. gebrannten Ziegeln die Rede. Belege für Bauten aus gebrannten Ziegeln zu dieser Zeit nehmen jedoch nur einen verschwindend geringen Teil ein, insbesondere bei Monumentalbauten.“

Prof. Graefes ernüchterndes Fazit lautet:

„Bei all diesen Einwänden ist eine Gleichsetzung mit dem koranischen Haman kaum mehr als lärmender Unsinn.“

Quelle: Kunsthistorisches Museum mit MVK und ÖTM, Wien. Mit freundlicher Genehmigung.

Im Kunsthistorischen Museum Wien war nicht bekannt, welche Bedeutung das Artefakt in den letzten 15 Jahren hatte. Michaela Hüttner, Kuratorin der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien, antwortet auf die Frage, ob Bucaille den Türpfosten überhaupt aus nächster Nähe hat untersuchen können:

„Meines Wissens waren die beiden Fragmente des Türpfostens seit Jahrzehnten nicht öffentlich zugänglich, sondern befanden sich nur in unserem Depot. In unseren Unterlagen findet sich weder eine Korrespondenz mit einem Herrn Bucaille noch ein Vermerk, dass er oder ein anderer Besucher dieses Artefakt im Zeitraum von 1975 bis 1995 sehen wollte. Wir haben uns in den letzten Jahren über das ungewöhnliche internationale Interesse an diesem Türpfosten gewundert, allerdings kam die erste Anfrage dazu erst im Jahr 2005.“

Ein göttliches Wunder? Diese beiden Fragmente eines Türpfostens im Wiener Kunsthistorischen Museum gelten vielen muslimischen Apologeten als Beweis für die wissenschaftlich beweisbare Richtigkeit ihrer Religion. Experten sind anderer Meinung.

Raoul Keller

Im Folgenden wird ein Schreiben zu den beiden Fragmenten von Prof. Dr. J. Osing (em.) wiedergegeben:

Prof. Dr. Jürgen Osing (em.)
Ägyptologisches Seminar
Freie Universität Berlin
Berlin, im August 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Namen auf den beiden ägyptischen Türpfosten sind deutlich genug zu lesen. Sie erscheinen am Schluss beider Textkolumnen als ḥ mn-ḥ, wie von Wreszinski und Ranke angegeben.
Ob für diesen Namen noch eine Langform existiert, spielt meines Erachtens bei dem Vergleich mit dem koranischen Haman eine untergeordnete Rolle. Auf dem Türpfosten steht der Name ḥ mn-ḥ – und diese Laute sind zu berücksichtigen.

Dieses ḥ mn-ḥ ist gebildet aus dem Namen des Gottes ḥ mn und einem nicht sicher bestimmbaren Element mit dem Zweikonsonantenzeichen ḥw, das im Neuen Reich in Verbindung mit dem Zeichen der Papyrusrolle als überaus häufige „Gruppenschreibung“ für den Konsonanten ḥ gebraucht wird. Wenn Ranke den Namen als ḥ mn-ḥ umschreibt, so ist es Willkür das Fragezeichen so zu erklären, wie es beispielsweise die Webseite islamic-awareness.org macht (Stand Juli 2009): „As if suggesting „ḥ“ was not actually part of the name“, und damit ganz zu eliminieren. Die Interpretation des auslautenden ḥ ist fraglich, nicht aber seine Existenz als Bestandteil des Namens, dem dann noch das Beiwort „mit wahrer Stimme, gerechtfertigt“ für den seligen Toten folgt.

Im Vergleich mit dem Namen des arabischen Haman ergeben sich zwei Diskrepanzen:

  1. Auf der arabischen Seite fehlt das ḥ am Ende des Namens.
  2. Die Qualität des ersten h-Lautes ist verschieden. Es ist richtig, dass für das Ägyptische – in Nachbarschaft von m – ein Lautübergang ḥ > h gelegentlich schon für die 19.–21. Dynastie nachgewiesen ist. (s. meine „Nominalbildung des Ägyptischen“, Mainz 1976, S. 367 f.). Zurzeit des neuen Reiches jedoch, auf die der Türpfosten datiert wird, waren solche Verschmelzungen äußert selten. Mir ist nur ein einziges Beispiel aus dem fraglichen Zeitraum bekannt. Es handelt sich hierbei um eine sekundäre Lautung. Ich halte es für fraglich, eine solch sekundäre Lautung ausgerechnet einer Quelle zuzuordnen, von der göttliche Autorität angenommen wird. Ich halte jedoch die Verschiedenheit der h-Laute für untergeordnet, da eine Reihe weiterer Indizien gegen eine Gleichsetzung spricht.

Laut Koran wird Haman von dem Pharao dazu aufgefordert, aus gebrannten Ziegeln ein hohes Gebäude zu bauen. Es ist bemerkenswert, dass ein ägyptischer König nicht etwa seinen „Vorsteher aller Arbeiten des Königs“ mit der Errichtung eines so gewaltigen Baues beauftragt haben sollte, sondern einen unbedeutenden „Vorsteher der Steinbrucharbeiter bzw. der Steinmetze“. Letztgenannter hatte gewöhnlich lediglich lokale Bedeutung und für einen (vermutlich immensen) Ziegelbau keine Qualifikation.

Zum Brennen von Bauziegeln sei angemerkt, dass in Ägypten aus pharaonischer Zeit eine schier unendliche Fülle von Bauten, monumentalen und kleineren, aus luftgetrockneten Ziegeln erhalten ist. Daneben nehmen die mit der 19. Dynastie an einem Ort im östlichen Nildelta einsetzenden, in der Spätzeit dann zunehmenden Belege für gebrannte Bauziegel nur einen verschwindend kleinen Teil ein, insbesondere auch bei Monumentalbauten (s. A. J. Spencer, Brick Architecture in Ancient Egypt. Warminster 1979, passim).

Zum Sprachlichen möchte ich noch einmal betonen, dass der Name Haman sowohl im Arabischen wie im Hebräischen etymologisch isoliert ist und dies auch in jeder weiteren semitischen Sprache wäre, da es hier weder einen Wortstamm *hmn noch einen solchen Wortbildungstypen gibt. Als ägyptischer Name wäre Haman zumindest sehr ungewöhnlich und bislang gänzlich unbekannt.

Der Name weist auf einen anderen Ursprung hin (z. B. altpersisch Humajun „der Große“, siehe Köhler-Baumgartner).

Nicht nur deswegen hat mich das arabische Haman zunächst einmal an den Perser Haman erinnert, der im Esther-Buch als Reichsverweser und Siegelträger des Xerxes und als Feind der Juden erwähnt wird und wegen seiner Intrigen ein unrühmliches Ende gefunden haben soll. Dieser Name weist im hebräischen Text genau die gleiche Lautung auf wie die arabische Form – bei den Vokalen nicht weniger als bei den Konsonanten (siehe Köhler-Baumgartner).
Die Erwähnung einer solchen Figur beschränkt sich auf die heiligen Schriften des Judentums (und Christentums) und des Islams. Das Ausmaß der Übereinstimmungen bei den beiden Personen namens Haman legt m. E. einen Schluss auf direkte Abhängigkeit nahe.
Das Motiv eines in den Himmel ragenden Gebäudes und der Hybris, hiermit dem Gott der Israeliten entgegenzutreten, könnte an den Turmbau zu Babel angelehnt sein. In Mesopotamien waren solche Ziegelzikkurat verbreitet. Laut Genesis 11,3 wurde der Turm zu Babel aus gestrichenen und gebrannten Ziegeln errichtet.

Mit den besten Grüßen
Jürgen Osing