Rita Breuer: Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam, Herder Verlag Freiburg, 159 Seiten, 12,99 Euro.
Aachen/Freiburg (epd). In der Islamischen Welt findet laut der Aachener Islamwissenschaftlerin
Rita Breuer eine „Reislamisierung“ statt. Darunterleiden vor allem Christen. Sie brauchen ihrer
Ansicht nach von der westlichen Welt noch mehr Unterstützung als bisher.
Im Nordsudan gab es über 40 Jahre lang keine einzige Baugenehmigung für eine Kirche. In der Türkei besitzt die Kirche immer noch keinen gesicherten Rechtsstatus und kann deshalb keinen Grundbesitz erwerben, in der Regel nicht einmal ein Konto eröffnen. In Ägypten muss der Bürgermeister immer ein Muslim sein, selbst in Dörfern, die nur oder fast nur von Christen bewohnt sind. Zahlreiche solcher Beispiele nennt RitaBreuer in ihrem Buch “Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam”, das im Freiburger Herder Verlag erschienen ist. “Christen werden in der islamischen Welt in besonderer Weise und aus eindeutig religiösen Gründen in ihren Rechten beschnitten und verfolgt”, beklagt die Autorin.
Die Formen der Benachteiligung von Christen variierten von sozialer Diskriminierung über antichristliche Polemik bis zu Enteignung, Vertreibung, Brandstiftung und sogar Tötung, sagt Breuer. Nicht jeder Christ in der islamischen Welt werde verfolgt, aber die Entwicklung gehe immer mehr in diese Richtung.
Den Grund dafür sieht die promovierte Islamwissenschaftlerin in einem wachsenden Druck und
Einfluss islamistischer Kräfte, denen es gelungen sei, über weite Teile auch das Denken der einfachen Bevölkerung zu prägen. In Hasspredigten, Radiobeiträgen und Artikeln richteten sie sich immer militanter gegen den Westen. Immer häufiger würden die Christen im eigenen Land mit dem Westen als dem vermeintlichen Feind der islamischen Welt identifiziert. Diese “geistige
Brandstiftung”, in der ein anti-christliches Klima geschürt werde, sind nach Breuers Ansicht der
Beginn einer Verfolgung, nicht erst wenn es tatsächlich zu gewaltsamen Übergriffen komme.
Die Buchautorin beobachtet eine “Reislamisierung” der islamischen Welt. Eine Stärkung der
Rolle des Islams als Staatsreligion sowie eine religiöse Prägung der Rechtsprechung durch
Berufung auf die Scharia bedeute jedoch “eine Privilegierung der Muslime als vermeintlich bessere Religionsgemeinschaft und gehe ohne Ausnahme zu Lasten der Christen”, erklärt Breuer. Die Reislamisierung habe unter anderem dazu geführt, dass die soziale und politische Rolle von Christen im Nahen und Mittleren Osten abgenommen habe. Ebenso wie ihre zahlenmäßige Präsenz: Im Irak sind von 1,25 Millionen Christen, die man vor 2003 zählte, heute noch maximal 400.000 im Land. Seit dem Sturz Mubaraks im März in Ägypten sollen über 100.000 Kopten emigriert sein.
Sie wolle keine antiislamische Hetze betreiben, betont Breuer. Aber benachteiligte Christen verdienten besondere Solidarität und Unterstützung, die ihnen in der Vergangenheit vielfach schuldig geblieben sei, sagt sie. Für die Autorin ist es ein “merkwürdiges Phänomen”, dass die deutsche Gesellschaft sich für löbliche Belange wie die Freiheit der Tibeter oder den Tierschutz einsetzt, sich aber scheut, eine Art “innerreligiöse Solidarität” zu üben, die für Muslime selbstverständlich ist.
Breuer befürchtet, dass die Lage der Christen in der islamischen Welt noch schlechter wird. So
wie es derzeit aussehe, habe der Arabische Frühling nicht die Demokratisierung gebracht, die
sich viele Menschen erhofft hatten. Soziale Ausgrenzung, Schikanen und Gewalt gegen Christen
nähmen vielerorts zu.
Nach Meinung der Islamwissenschaftlerin reicht es nicht aus, darauf zu hoffen, dass das gute
Vorbild des Westens im Umgang mit religiösen Minderheiten die muslimischen Staaten zur
Nachahmung anregen wird. “Es scheint dringend geboten, im Dialog mit Regierungen, Verbänden, internationalen Gremien beharrlich die Religionsfreiheit für die religiösen Minderheiten in der islamischen Welt einzufordern”, fordert Breuer. Das klare Bekenntnis zur Gleichheit und vollen Religionsfreiheit aller Bürger könne allerdings nur in einem säkularen Staat ohne Scharia umgesetzt werden.
Mit freundlicher Genehmigung des epd.