Seit dem 29. März 2014 besitzt Krefeld den ersten „Wald des Dialogs“. Christen und Muslime pflanzten an diesem strahlenden Frühlingstag unter Anleitung der Mitarbeiter des Grünflächenamtes der Stadt Krefeld auf 5.000 qm im Naherholungsgebiet am Oppumer Busch rund 1.700 Bäume – gedacht als Zeugnis gemeinsamen gesellschaftlichen Engagements und als Symbol für die Zukunft.
Krefeld ist eine multikulturelle Stadt. Religiöse Vielfalt hat hier Tradition. Es leben hier Menschen aus rund 150 Nationen. Ein Drittel wurde im Ausland geboren. So ist diese Stadt gut ausgewählt für diesen ersten christlich-islamischen Dialogtag – der erste in Nordrhein-Westfalen, ja der erste in Deutschland, wie der Vorsitzende der Christlich-Islamischen Gesellschaft betont, der Veranstalter des Dialogtages. Christen und Muslime haben ihn gemeinsam geplant und drei Jahre lang vorbereitet.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch Prominenz bei der Eröffnung im Seidenweberhaus dabei war – Sylvia Löhrmann als Stellv. Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, der Oberbürgermeister der Stadt Krefeld, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), und Weihbischof Dr. Johannes Bündgens vom Bistum Aachen. Die Grußworte machten deutlich, dass es zum christ- lich-islamischen Dialog keine Alternative gibt. Wunsch und Ziel sind Toleranz, gegenseitiger Respekt, zuhören können, verstehen wollen, miteinander aufbauen und gestalten. Der beeindru- ckende und symbolträchtige Abschluss der Eröffnung war das „Air“ von Johann Sebastian Bach, gespielt von Murat Cakmaz auf der Ney und begleitet von Dimitrios Venezelas auf dem Klavier, interpretiert im Sinne des Sufismus.
Die nächste Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wie hältst Du’s mit der Religion?“ mit Weihbischof Dr. Johannes Bündgens, Präses Manfred Rekowski, Aiman Mazyek (ZMD), Prof. Dr. Josef Freise, Dr. Armina Omerika und den beiden Künstlern Younes Al-Amayra (Mitbegründer von i,Slam, muslimischer Poetry-Slam) und Sonni Meier (Schauspielerin und Theaterregisseurin, die sich als postmoderne Christin bezeichnete: „Ich glaub ans Suchen und ans Fragen.“). Die Moderatorin Asli Sevindim vom WDR fragte gezielt nach religiösen Erfahrungen in Kindheit und Jugendzeit, nach positiven und negativen Erfahrungen in Familie, Kirche und Moschee. Sie wollte wissen, wie Glauben in Vielfalt heute gelebt und verantwortet werden und auch künstlerisch ausgedrückt werden kann. Welche Auswirkungen hat der persönliche Glauben auf das gesellschaftliche Miteinander? Welche Trends sehen Christen und Muslime in der gegenwärtigen Gesellschaft, denen sich der Glaube stellen muss? Dr. Armina Omerikas weise abschließende Zusammenfassung blieb bei mir haften:
„Wir alle brauchen die selbst-kritische Reflektion unserer Positionen und Überzeugungen.“
Der Nachmittag und der Abend boten eine große Vielfalt an Workshops: „Einheit in der Vielfalt“, „Respekt zwischen den Generationen“, „Pluralität und Miteinander“, „Muslime und Christen – zwischen Identität und Karikatur“, „Singen-Glauben-Grenzen überwinden: Islamische und christliche Mystik“, „Bilder im Kopf – Diskriminierung im Alltag“, „Frauenkulturen im Dialog“, „Schulen im Dialog“, „Was ich schon immer von dir wissen wollte“, „Familienbilder im Dialog“, „Religiöser und weltanschaulicher Extremismus“, „Im Dialog gegen Muslim- und Menschenfeindlichkeit“, „Koran und heilige Bücher“, „Jesus und Maria in Islam und Christentum“, „Der Prophet Muhammad und die Nicht-Christen“, „Fremdheit und Vertrautheit“, „Kooperation in der muslimischen Notfallbegleitung“, „Handlungsfelder der Seelsorge“, „Ressourcenorientierte Entwicklungsförderung von Kindern – Modellprojekt“, „Religiöse und kulturelle Interaktion im polizeilichen Alltag“ und andere. Es gab einen Basar des Dialogs, auf dem sich 31 Projekte und Dialoginitiativen vorstellten. Es wurden Busreisen zu vier Moscheen im Krefelder Raum ange- boten. Es gab auch ein reichhaltiges Kulturprogramm mit Theatereinlagen und Musik, z.B. auch vom Kinderchor der Fatih Moschee. Daneben gab es Büchertische und Ausstellungen. Und den Abschluss bildete ein multireligiöses Gebet. Man merkte, wie intensiv das Vorbereitungsteam den Tag durchdacht und wie gut es ihn vorbereitet hatte. Da steckte viel Liebe zur Sache mit drin.
Ich entschloss mich, an der Busreise zur Fatih Moschee (DITIB) und zur Yunus Emre Moschee (DITIB) unter Leitung von Kenan Kiraz, dem stellv. Vorsitzenden der DITIB NRW Landesverband Düsseldorf, teilzunehmen. In der Fatih Moschee konnten wir dem Mittagsgebet beiwohnen, sahen hinterher ein Video über den Propheten Muhammad (ohne Darstellung des Propheten) und hörten einen Vortrag über sein Leben. Das Video über das Leben des Propheten war gut gemeint, neigte aber durch die Anleihen an die Hadithliteratur stark zu Hagiographie und Da’wa. Die erste Biographie des Propheten aus muslimischer Sicht von Ibn Ishâq (704–768 n.Chr.), von der aber nur die Teile 2 und 3 durch Ibn Hisham (gest. 830) überliefert wurden, ist da nüchterner, obwohl selbst Ibn Hisham Dinge, die er als entwürdigend empfand oder die andere Muslime als ärgerlich empfinden könnten, einfach wegließ.1
Nach eineinhalb Stunden ging es dann weiter zur Yunus Emre Moschee, wo ein katholischer Islamwissenschaftler und zwei junge Religionswissenschaftler von der Islamischen Akademie und der Goethe Universität in Frankfurt zum Thema „Jesus und Maria im Christentum und im Islam“ referierten. Alle Referate waren gut vorbereitet, sachlich und hilfreich. Die Fragen wurden sachlich und fair beantwortet. Die Fähigkeit zur kritischen Reflektion, von der Frau Dr. Armina Omerika am Vormittag gesprochen hatte, war hier wohltuend spürbar.
Auch der Reiseleiter tat sein Bestes, um die vielen kritischen Fragen einiger engagierter Frauen, denen man manchmal ihre Vorurteile anmerkte, geduldig zu beantworten. Man kann nur wünschen, dass es mehr solcher Veranstaltungen und Dialogtage gibt, damit Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Überzeugungen Gelegenheiten bekommen, miteinander zu reden und einander zuzuhören. Das brauchen wir. Zum Dialog, auch zum christlich-muslimischen Dialog gibt es keine Alternative. Echter Dialog ist Friedensarbeit.
Essen, den 13. Mai 2014
Dr. Dietrich Kuhl
A. Guillaume. The Life of Muhammad: A translation of Ibn Ishâq’s Sirat Rasul Allah. New York: Oxford University Press, 2002, S. 691. ↩