Der arabische Begriff des „Dschihad“ leitet sich vom arabischen Verb jahada ab und bezeichnet eine Bemühung oder Anstrengung. Häufig wird der Begriff mit „um Allahs willen“ (fi sabil allah) ergänzt, die signalisiert, dass der Dschihad nur Gültigkeit hat, wenn die Anstrengung auf die Durchsetzung von Allahs Ordnungen abzielt. Die im Westen verbreitete Wiedergabe des Begriffs mit „Heiliger Krieg“ ist zwar verkürzt, aber auch nicht völlig abwegig: der Begriff kommt in seinen verschiedenen Ableitungen 31mal im Koran vor, meist im Kontext kriegerischer Bemühungen. Die frühen Rechtsgelehrten benutzten in ihren Ausführungen Dschihad stets im Sinne des sprichwörtlichen Kampfes zur Verteidigung oder Ausbreitung des Islam. Sowohl der Koran (u.a. Sure 4,74 und 9,111) als auch die islamische Überlieferung (z.B. Bukhari Vol 4, Buch 56, Hadith Nr. 1, 6 und 14) rufen im Zusammenhang mit dem Dschihad wiederholt dazu auf, das eigene Leben (und Vermögen) im Kampf für Allah zu opfern, und verheißen den Gefallenen im Gegenzug den direkten Eingang ins Paradies.
Viele Muslime lehnen heute die Reduzierung des Dschihad auf den bewaffnetem „Kampf“ (qital) als unislamische Engführung entschieden ab. Sie beziehen sich dabei unter anderem auf jene Koranstellen (vor allem aus der mekkanischen Zeit), in denen der Dschihad eine nicht-kämpferische, argumentative Auseinandersetzung mit Ungläubigen beschreibt – zum Beispiel mithilfe des Korans in Sure 25,52. Zudem verweisen sie auf eine Überlieferung, nach der Muhammad einst vom „kleineren Dschihad“ des Kampfes zum „größeren Dschihad“ gegen die eigenen Begierden zurückgekehrt sein soll (al-Bayhaqi, al-Zuhd al-Kabir, S. 165, Nr. 373). Der entsprechende Hadith findet sich allerdings nicht in den sechs großen kanonischen Sammlungen. Nach Rotraud Wielandt könnte er Muhammad nachträglich von mystischen Verfechtern einer stärkeren Verinnerlichung der Frömmigkeit in den Mund gelegt worden sein.
In der islamischen Rechtswissenschaft hat sich relativ früh ein vielseitiges Dschihad-Konzept durchgesetzt. Der Andalusier Ibn Hazm (994–1064) unterschied einen Dschihad des Herzens, der Zunge, der Hand und des Schwertes. Nach dem Syrer Ibn al-Qayyim (1292-1350) sollten Muslime mehrere Feinde gleichzeitig bekämpfen: neben der eigenen Triebseele, Satan und seinen Einflüsterungen auch die Heuchler in den eigenen Reihen, die Ungläubigen sowie die Häretiker, die verbotene Neuerungen in die Religion einführen, und die Apostaten, die sich vom Islam und seiner Gemeinschaft abwenden. Zeitgenössische Muslime erweitern diese Auflistungen nochmals um den Dschihad der (missionarischen) Predigt/Einladung (da‘wa), den medialen Dschihad (v.a. im Internet) und den „zivilen Dschihad“. Bei Letzterem kann es um Förderung des Islam durch Wissenschaft, Einsatz für die wirtschaftlichen Grundlagen der muslimischen Gemeinschaft, Auf- und Ausbau sozialer und karitativer Institutionen, Durchdringung der Kultur mit islamischen Bezügen, aber auch um Umweltschutz und Gesundheitsvorsorge gehen.
Zu weiteren Schlüsselfragen des islamischen Dschihad-Konzeptes siehe Der „Islamische Staat“ und die Schlüsselfragen des Jihads
Weiterführende Literatur
- Carsten Polanz, Das ganze Leben als Ǧihād. Yūsuf al-Qaraḍāwī und der multidimensionale Einsatz auf dem Wege Allahs, Berlin 2016
- Troeger, Eberhard, Der Islam und die Gewalt, Gießen 2016